Das stille Örtchen

Vom Plumpsklo zur Wohlfühloase

von Judith Husistein
min
26.12.2023
«Das stille Örtchen». Was für eine liebevolle Bezeichnung für das, was heute mehrheitlich WC, manchmal auch Toilette, genannt wird. Die früher gebräuchlichen Begriffe Abtritt, Hüsli, Aabe oder Läubli hört man kaum noch.

Als ich im Sommer im Freilichtmuseum Ballenberg war, weckten die schönen alten Gebäude viele Erinnerungen, auch an stille Örtchen. In meinem Elternhaus hatten wir in den 1960er Jahren bereits eine Porzellantoilette – allerdings ohne Spülung und in einem ungeheizten Raum. Trotzdem flüchtete ich mich oft an diesen ungemütlichen Ort, wenn ich Geschirr abtrocknen sollte. Wer den bereitstehenden Wasserkrug leerte, musste ihn wieder füllen, und regelmässig haben wir Kinder Zeitungsseiten zerteilt und damit den Papierbehälter gefüllt. In den Nachbarhäusern standen hölzerne Abtritte und ich war ein bisschen neidisch auf den «Kinderthron», der neben dem grossen Plumpsklo stand. Im Winter blies allerdings der eiskalte Wind vom Güllenkasten herauf und im Sommer fanden Fliegen, unangenehme Gerüche und Ammoniakdämpfe den Weg ins Haus.

Hocken statt sitzen

Auf einem Bahnhof im Tessin sah ich vor 50 Jahren die erste Hocktoilette. Keine Porzellanschüssel, sondern nur gerillte Flächen für die Füsse und ein Loch im Boden. Erst als ich in einer Touristenregion ein Piktogramm entdeckte, das den sitzenden Gebrauch des WCs erklärte, wurde mir bewusst, dass nur die westliche Welt bei ihrem «Geschäft» sitzt, während die Menschen in weiten Teilen der Erde in die Hocke gehen. Wie ist das wohl für Menschen mit Knieproblemen?

Archäologische Funde belegen, dass es bereits vor 5000 Jahren Toiletten gab.

Wechselnde Sitten

Interessant ist der Blick zurück: In Schottland belegen archäologische Funde, dass es bereits vor 5000 Jahren Toiletten gab. Auch in Indien, Ägypten, Griechenland und bei den Sumerern im heutigen Irak ging es gesittet zu. Sogar Wasserspülungen waren teilweise zu finden. An den Aussenwänden der Häuser hatte es Abflüsse, welche direkt zu den Entwässerungsgräben auf der Strasse führten. Bei den alten Römern und Griechen gab es zudem große, öffentliche Räume, in denen man auf Marmorbänken mit Öffnungen gemeinsam seine Notdurft verrichtete und dabei in geselliger Runde plauderte, während fliessendes Wasser unter den Bänken alles wegspülte. Die gehobene Toilettenkultur des römischen Reiches ging im Mittelalter wieder verloren. Das gewöhnliche Volk verrichtete sein Geschäft überall dort, wo es gerade war, und entleerte seine Nachttöpfe auf der Straße. Die Burgen hatten oft Nischen und Erker, die ins Freie führten. Im 17. und 18. Jahrhundert war die Beseitigung der Abwässer ungelöst und der daraus entstehende Gestank in den Gassen unsäglich.

Heute sind Toiletten und Bäder oft luxuriöse Wohlfühloasen.

Pause vom Alltag

Diese Entwicklung ist längst Geschichte und was vor wenigen Jahrzehnten üblich war, nur noch Erinnerung. Heute sind Toiletten und Bäder oft richtig luxuriöse Wohlfühloasen. Warm, duftend, gemütlich. Was für eine Wohltat, sich mit einem Buch in diesem warmen, stillen Ort ungestört eine längere Pause vom Alltag zu gönnen.

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