Museggang 1522: Der Aufstand wurde geprobt

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27.02.2022
1522 gab es in Luzern eine beachtenswerte reformatorische Bewegung, der nun mit Veranstaltungen gedacht wird.

Es war der wichtigste Termin im Luzerner Festkalender. Der Museggang, jeweils am Vortag von Mariä Verkündigung, hatte sich zum bedeutendsten kirchlichen Ereignis der Innerschweiz entwickelt. An diesem 24. März jedoch, im Jahr 1522, sollte sich etwas ereignen, was in die Geschichtsbücher eingehen würde. Dabei erschien zuerst alles wie immer. Die Prozession war vor vielen Hunderten von Jahren ins Leben gerufen worden, um in der mittelalterlichen Stadt, die vorwiegend aus Holzhäusern bestand, eine Brandkatastrophe zu verhindern.

Vom Rat verordnet, musste mindestens eine Person aus jeder Familie daran teilnehmen. Was auch seine Vorteile hatte. Seit 1476 war mit einer Teilnahme ein Sündenablass inkludiert. So konnte innert eines halben Tages dieselbe Anzahl an Sünden abgebüsst werden wie bei einer beschwerlichen Wallfahrt nach Rom. Ein echtes Schnäppchen also. Als Attraktion für auswärtige Besucher gab es freie Verköstigung mit Fisch und Wein sowie die Einladung eines berühmten Predigers.

Ein berühmter Redner trat auf
Bis zu 5000 Teilnehmer waren an diesem Tag gekommen, zudem 160 Geistliche. Eine stattliche Zahl, wenn man bedenkt, dass die Stadt Luzern damals etwa ebenso viel Einwohner zählte. Die Reihenfolge der Prozession war streng geregelt: An der Spitze waren der Klerus und die Obrigkeit, gefolgt vom gemeinen Volk. Zuhinterst hatten sich die Frauen und das Jungvolk einzureihen.

Als prominenter Prediger war der mitreissende Kanzelredner Konrad Schmid eingeladen. Dass man den Komtur der Johanniter von Küsnacht überhaupt eingeladen hatte, erstaunte, zumal er als Freund Zwinglis galt und als glänzender Anhänger der neuen Lehre. Seine Einladung war ein Zeichen, dass es in Luzern genügend oene Geistliche gab, die über den neuen Glauben aus Wittenberg informiert werden wollten. Zu Beginn war an Konrad Schmids Auftritt nichts Rebellisches. Die silberne Monstranz in der Hand, unter einem blauen Baldachin, getragen von vier Mitgliedern des kleinen Rates, schritt Schmid würdevoll den Prozessionsweg ab.

Die Prozession bewegte sich von der Hoirche, der Stadtmauer entlang bis zum Baslertor, durch die Kleinstadt zum Nölliturm auf den Hügel, wo heute die Museggkapelle steht. Am Tage zuvor hatte Konrad Schmid vielleicht noch Zwinglis Predigt «Von Erkiesen und Fryheit der Spysen» in Zürich gehört. Nun wollte er hier in Luzern das Gleiche versuchen, was Zwingli in Zürich anging: der evangelischen Bewegung zum Durchbruch verhelfen. Nicht als «davongelaufener Mönch», wie Luther von altgläubiger Seite bezeichnet wurde.

Konrad Schmid trat in vollem Ornat des Johanniterordens auf und war sich seiner adelsähnlichen Stellung als Komtur bewusst. Seine Predigt hielt er nicht auf Latein, sondern in beiden Sprachen. Oen kritisierte er die Heiligenverehrung, das Pensionenwesen (Bestechungsgelder) und schreckte auch nicht vor einem Angri auf das Primat des Papstes zurück.

Ein kurzes Aufflackern
Der Schrecken bei den Geistlichen muss gross gewesen sein. Zwei Priester bestiegen sogleich die Kanzel und konterten die Vorwürfe mit derben Worten. Bei der Bevölkerung dürften die Diskussionen über die provokative Predigt noch eine Zeit lang weiter gegangen sein. «Bei der Luzerner Bildungselite aus Geistlichen und Gelehrten zündete durchaus der Funke der Reformation, wenn auch das Ganze nicht die Kraft für eine tiefgreifende Wandlung der Kirche entwickelte », sagt Delf Bucher, Organisator der Musegg-Veranstaltungsreihe.

Schon bald darauf war an eine Reformation der kirchlichen Verhältnisse nicht mehr zu denken. Zwischen 1522 und 1523 verliessen die meisten evangelisch gesinnten Humanisten das Herrschaftsgebiet von Luzern. Die Bedrohung war zu gross geworden. Luzern begann sich zum Zentrum der antireformatorischen Bewegung zu entwickeln.

«Der Auftritt Konrad Schmids war ein mutiges Zeichen und ein kurzes Aufflackern des reformatorischen Geistes, selbst in Luzern», sagt Delf Bucher. Mit verschiedenen Anlässen und Veranstaltungen erinnert die Reformierte Kirchgemeinde Luzern an die erste reformatorische Predigt in Luzern.

Carmen Schirm

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