«Sonntagsengel» und «Bettenschieber»

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27.02.2022
Sophie Horvath und Martin Kobel engagieren sich als Freiwillige im Kantonsspital Bruderholz. Sie freuen sich über den Kontakt mit den Patienten und erzählen von ihren Erfahrungen.

Im Sonntagsgottesdienst im Kantonsspital Bruderholz herrsche eine besondere Atmosphäre, dies hört man immer wieder. An der ökumenischen Feier in der Kapelle des Spitals nehmen nicht nur Patienten und Mitarbeitende teil. Sie lockt auch «Aussenstehende» an. Martin Kobel, 66, erlebte vor rund zehn Jahren seine erste Weihnachtsfeier im Bruderholzspital. Der Kirchenmusiker, der seit vielen Jahren als Primarlehrer arbeitet und eine Kleinklasse unterrichtet, leitete damals den ad-hoc-Chor. Seither engagiert er sich neben der Leitung des Weihnachtschors als freiwilliger «Bettenschieber». Er begleitet Patientinnen und Patienten von ihren Zimmern in den Sonntagsgottesdienst und danach zurück. An der Feier im Bruderholzspital gefällt ihm die Liturgie und die Art, wie man zusammen die Ökumene begeht. «Die Kapelle steht mitten im Spital. Man spürt diesen besonderen Geist, wenn man sie betritt. Ich freue mich, dass ich das mittragen kann und dass so viele kommen.»

Sophie Horvath, 37, ist der Kirche seit ihrer Jugend als Ministrantin verbunden. Sie unterrichtet am Gymnasium Englisch und Französisch. Vor vier Jahren folgte sie dem Aufruf in der Kirchgemeinde, die für das Spital «Sonntagsengel» – eine poetischere Bezeichnung für «Bettenschieber» – suchte. Das Engagement hat sie sofort überzeugt. Sie und Martin Kobel schätzen es, dass sie sich flexibel engagieren und den Rhythmus ihrer Einsätze selber bestimmen können. So ist Sophie Horvath alle vier bis sechs Sonntage im Bruderholzspital anzutreffen. Es seien immer mindestens zwei, meistens aber mehrere Freiwillige anwesend. Neben den Seelsorgenden bilden auch die Freiwilligen ökumenische Teams.

Um zehn Uhr in der Kapelle
Horvath und Kobel betreuen mehrheitlich ältere Patientinnen und Patienten. Viele haben Mühe mit dem Gehen, sind auf den Rollator, den Rollstuhl oder das Bett angewiesen. Aber auch wer zu Fuss unterwegs ist, braucht vielleicht Hilfe, um die Kapelle zu finden. Die Freiwilligen erhalten eine Liste mit den Personen, die sie zum Gottesdienst begleiten sollen. «So wissen wir, wo wir hinmüssen und welche Hilfe jemand benötigt», sagt Martin Kobel. Die Freiwilligen führen jeden Patienten und jede Patientin individuell vom Zimmer in die Kapelle. Die Herausforderung: Alle sollten rechtzeitig zum Beginn des Gottesdienstes um 10 Uhr vor Ort sein. Das funktioniere in der Regel gut, ausser man müsse kurz vorher noch einen Rollstuhl suchen, lacht Sophie Horvath.

Die Arbeit der Freiwilligen braucht zudem Fingerspitzengefühl. «Es ist wichtig, eine Balance zu finden zwischen vorwärts machen und nicht stressen. Man darf keine Berührungsängste haben, sollte die Patientinnen und Patienten aber auch nicht überfordern. Manchmal helfen wir ihnen beim Ankleiden oder anderen kleinen Verrichtungen und empfehlen ihnen, ein Jäckchen mitzunehmen, weil es in der Kapelle frisch sein kann. Wir schauen zu den Leuten», erzählt Sophie Horvath. «Es kann sein, dass jemand noch nicht bereit ist, dann begleiten wir in der Zwischenzeit eine andere Person. Oder jemand fühlt sich plötzlich nicht mehr fit und möchte im Zimmer bleiben. Und es kommt vor, dass sich die Zimmernachbarin oder der Zimmernachbar spontan für den Gottesdienstbesuch entscheidet.» Falls man ein Bett durch die Gänge und in den Lift schieben muss, sei es gut, wenn man zu zweit ist, ergänzt Martin Kobel.

Mit wenigen Worten Mut machen
Die Begegnungen mit den Patienten sind in der Regel einmalig, weil sie das Spital nach ein paar Tagen oder Wochen verlassen. Eine tiefere Beziehung entsteht nicht, aber «mit uns ist jemand da, mit dem sie ein kurzes Gespräch führen können», so Kobel. Die Leute seien dankbar, wenn am Sonntag etwas läuft. Kobel freut sich, wenn er ihnen einen schönen Tag und gute Besserung wünschen und sie so hoffentlich etwas aufmuntern und ihnen Mut machen könne.

Die Freude, die Sophie Horvath bei den Patienten sieht, wenn sie ihnen sagt, dass sie schön angezogen sind oder chic aussehen, tut ihr gut. Die meisten seien unkompliziert und sehr kooperativ. Oft unterhält man sich auf dem Rückweg zum Zimmer über den Gottesdienst. Jemand mochte die Musik, ein anderer kommentiert die Predigt, einer Dritten gefielen die jungen Leute, die vorgesungen haben. Doch nicht alle möchten reden und bisweilen sei es schwierig, die richtigen Worte zu finden, dann sei es halt stumm im Lift, das sei in Ordnung.

Die Begegnungen mit den Patientinnen und Patienten hätten sie noch dankbarer gemacht für ihre Gesundheit, sagt Sophie Horvath. Auch Martin Kobel erlebt diese Dankbarkeit, dass er am Morgen ohne Beschwerden aufstehen kann. Die Arbeit als Freiwillige im Spital habe das Bewusstsein dafür geschärft, dass nicht alles selbstverständlich ist.

Karin Müller

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