Ernährung und Gewissen

min
15.09.2022
Vegetarisch essen ist nun doch schon einige Jahrzehnte im Trend. Die Diskussion hat sich im 21. Jahrhundert mit der veganen Ernährungsweise verbreitert. Mit dem Thema Klimaveränderung hat die Auseinandersetzung um das Essen eine neue Aktualität erhalten. Ist vegetarische und vegane Ernährung wirklich so umweltfreundlich wie oftmals behauptet?

Es begann in den Siebzigern des vergangenen Jahrhunderts mal «einfach» mit einer gesunden Ernährungsweise. Die vom Krieg beeinflussten Generationen, welche den Mangel an Nahrungsmitteln auch in der kriegsverschonten Schweiz kannten, trafen auf die Nachkriegskinder. Für diese gehörte die in den sechziger Jahren kontinuierliche Steigerung der Lebensmittelproduktion und dem damit beginnenden Überfluss zum Alltag. Die «Lust am Fleisch» ihrer Eltern und Grosseltern wurde von vielen jüngeren Leuten nicht mehr nachvollzogen und zunehmend kritisiert.

 

Die Zunahme an industrieller landwirtschaftlicher Produktion mit Massentierhaltung und Monokulturen verstärkte die Auseinandersetzung und die Zunahme an medialer Information sorgte dafür, dass die Folgen von einseitig ausgerichteter Ernährungsproduktion immer breitere Kreise beeinflusste. Ab Ende der achtziger Jahre kamen dann mehr und mehr der Umweltgedanke und der Lifestyle als Elemente in die Diskussion.

Die Herausforderungen

Die Ernährung einer Weltbevölkerung von mehr als 7 Milliarden Menschen ist ohne die wissenschaftlich-technischen Errungenschaften nicht vorstellbar. Es wurde jedoch in den letzten Jahren deutlich, welche Konsequenzen die bisherige Ausrichtung auf die Entwicklung des globalen Klimas hat. Fleischesser gerieten mehr und mehr in Verruf und für immer mehr Leute lag das Heil in der fleischlosen Ernährung. Die Diskussion läuft auf vollen Touren und wird weltanschaulich oft mit sektiererischem Eifer geführt. Wenn dann die Diskussion neben den energetischen Themen auf die Gesundheit übergehen, wird die Angelegenheit oftmals völlig irrational. Da wird Kuhmilch plötzlich zum Krebsförderer, Käse zum Risikofaktor und Fleisch zum Bösen schlechthin.

Die Produktion von Nahrungsmitteln

Klar ist, die Produktion von Fleisch ist sehr energieaufwendig. Es muss jedoch auch gesehen werden, dass vegane Produkte, wie sie in einer explodierenden Vielfalt in unseren Läden auftauchen, ebenfalls mit einem beträchtlichen Energieaufwand hergestellt werden müssen. Vegane Burger, Würste, Milch etc. durchlaufen industrielle Prozesse, bis sie das Endprodukt sind. Ihre Bestandteile, wie beispielsweise Mandeln für Milch oder Soja, kommen oft von weit her.

Diese «graue Energie», die auch für fleischlose Lebensmittel von der Aussaat bis zum Verkauf aufgewendet werden muss, setzt sich zusammen aus Wasser, Wärme- und Strombedarf bei der Herstellung, Treibstoff für den Transport, Energie für die Produkteverpackung, die Lagerung und den Aufwand für die Präsentation in den Verkaufsgeschäften. Bei Fleischprodukten kommt noch die Herstellung von Futtermittel hinzu. Das bedeutet, dass ein Grossteil der Energie für pflanzliche Produkte bereits hier benötigt wird, damit am Ende das Fleisch verarbeitet und verkauft werden kann. Bereits 2014 hat der Ernährungswissenschaftler Toni Meier aus Halle mit seinem Buch «Umweltschutz mit Messer und Gabel» erstaunliche Fakten präsentiert. Er meinte, dass bei einer Ernährung ohne Fleisch, die landwirtschaftliche Fläche um die Hälfte reduziert werden könnte. Im Umkehrschluss könnte auf derselben Fläche praktisch doppelt soviel pflanzliche Nahrung angebaut werden.

Fazit

Der Energieverbrauch für die Herstellung von Fleischprodukten ist grundsätzlich höher als bei pflanzlichen Lebensmitteln. Hinzu kommt beim Fleisch noch der höhere Co2-Ausstoss bei den Tieren. Verschiedene Studien veranschlagen diese Emissionen von Massentierhaltung auf über 10% des weltweiten Co2-Ausstosses. Fleischlose Ernährung verbraucht definitiv weniger Energie und belastet die Umwelt in kleinerem Masse.

Vom guten Gewissen

Der Verzicht auf Fleisch hat positive Auswirkungen auf die Umwelt. Die Art und Weise, wie pflanzliche Produkte heute angebaut werden, sollten jedoch nicht dazu verleiten, sich auf sein vermeintlich gutes Gewissen zu verlassen und den «Fleischessern» ein schlechtes Gewissen zu machen.

Die in der fleischlosen Ernährung häufig verwendete Sojapflanze wird zwar nach wie vor zu gut 80% für die Futtermittelproduktion verwendet. Ihr Anbau brachte Waldrodungen und Monokulturen. Die Abkehr vom Fleischkonsum benötigt diese Pflanze jedoch weiterhin für die Herstellung von alternativen Lebensmitteln. Der Anbau wird deshalb bei einer Abkehr von tierischer Ernährung nicht einfach zurückgehen.

Ein pflanzliches Produkt, das in den letzten Jahren in die Schlagzeilen geraten ist, ist die Avocado. Sie hat einen richtigen «Hype» erlebt und sich von der exotischen Beilage zum Alltagsprodukt gewandelt. Diese Entwicklung führte zu illegalen Waldrodungen, um Platz für Avocadofelder zu schaffen. Hinzu kommt der erhöhte Einsatz von Pestiziden, wie immer bei Monokulturen, und von grossen Wassermengen. Hauptanbaugebiete sind Mittel- und Südamerika, wo mit der Steigerung der Produktion in Wohngebieten das Wasser zu fehlen beginnt. Die Liste kann mit Mandeln, Quinoa, Acai- oder Goji-Beeren, bei uns als «Superfood» bekannt, verlängert werden.

Anlass zur Diskussion geben zunehmend die gesundheitlichen Auswirkungen einer absolut fleisch- oder tierlosen Ernährung. Erwähnt sei hier ein zunehmender Vitamin B12 Mangel, der auf diese Art von Essensgewohnheiten zurückgeführt wird. Das würde bedeuten, dass hier zum Ausgleich Stoffe zugeführt werden müssten, was wieder mit einem Energieaufwand verbunden ist. Gegenwärtig laufen hier permanent Studien von verschiedenen Seiten, die Resultate werden dann, je nach Interessenlage, so präsentiert, dass die Konsumenten gezwungen sind, sich vielfältig zu informieren, um zu einer ausgeglichenen Meinung zu kommen. Ernährung ohne Fleisch ist kein Garant für ein gutes Gewissen.

Verhalten überdenken

Der Austausch unter den verschiedenen Positionen sollte dazu führen, dass Veränderungen möglich werden, die ohne Verteufelungen auskommen. Regionalere Lieferketten, vielfältigere und artgerechtere Haltungs- und Anbaumethoden sind ein Weg. Wenn dann noch eine ausgewogene, vielfältige Ernährung mit kritischem Blick auf Herkunft und Zusammensetzungen der Lebensmittel hinzukommt, ist schon viel gewonnen. Lebensmittel, egal ob tierisch oder pflanzlich, brauchen immer Ressourcen, damit sie wachsen und reifen können. Monokulturen, ob Tiere oder Pflanzen, sind immer Energieverschwendung.

Ein Element, das uns alle betrifft, ist dabei die Verschwendung von Lebensmitteln. Wenn wir nur mal hier beginnen, unser Verhalten zu verändern, ist schon viel Gutes getan. Die Eltern und Grosseltern mit Kriegsmangelerfahrung wissen, mit wie wenig der Mensch eigentlich auskommen kann. Die «Boomer» wissen, dass man in den Sechziger- und Siebzigerjahren mit bescheideren Food-Sortimenten auch gut gelebt hat. Was gestern genügend war, genügt heute oft nicht mehr. Wir alle haben uns daran gewöhnt, vor vollen Regalen zu stehen und bei praktisch allen Produkten eine grosse Vielfalt zu finden. Das in den letzten Jahren normal gewordene «Convenient-Life» verschlingt Energiemengen, für die wir alle verantwortlich sind – ein Umdenken wird immer notwendiger. Die tägliche Ernährung ist ein Teil davon, der sofort umgesetzt und praktiziert werden kann. Was tun Sie bereits heute?

Heinz Mauch-Züger

 

Unsere Empfehlungen

Heilungswege

Heilungswege

Im Appenzellerland gibt es im Gesundheitswesen eine starke alternative Tradition. Mit Alfred Vogel (1902 bis 1996) besteht eine Vertretung, die nicht nur im Kanton sondern über die Landesgrenzen hinaus im Bereich der Naturheilkunde Anerkennung gefunden hat.
Was hast du gesagt

Was hast du gesagt

Ich höre noch immer das durchdringende Pfeifen, das die Predigt des Pfarrers beinahe übertönte. Sichtlich verlegen gelang es dem älteren Mann nach einiger Zeit, den kleinen Schalter an seinem Hörgerät zu betätigen, damit Ruhe einkehrte.
Kein Gehör finden

Kein Gehör finden

Haben Sie Kinder? Dann kennen Sie das. Da ruft man zum Essen, weist darauf hin, dass etwas weggeräumt werden sollte – und nichts passiert. Also zweiter Anlauf – und immer noch passiert nichts. Die Stimme wird lauter, der Ton eindringlicher und dann kommt ein «ja,ja ich komme ...» zurück und weiter ...