«Alle dürfen kommen»

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25.09.2022
Mit der Konfirmation besiegeln junge Erwachsene ihren Bund mit Gott. Für Jugendliche mit körperlichen und geistigen Beeinträchtigungen geht dieser Schritt nicht ohne Herausforderungen einher. Er kann dabei aber umso erfüllender sein.

Ausser Ja- oder Nein-Antworten ist eine andere Form der Kommunikation kaum möglich. Dennoch ist klar: Die Jugendlichen mit teilweise mehreren oder schwersten Behinderungen wollen konfirmiert werden. Anfang Oktober wurden – erstmals organisiert von der Fachstelle Integration bei der Evangelischen Landeskirche Thurgau – gleich drei junge Erwachsene mit erheblichen Beeinträchtigungen in der Stadtkirche Frauenfeld gesegnet. Speziell daran: Die Bekräftigung des Glaubens der Jugendlichen geschah nicht separat in einer Institution, sondern öffentlich in einem ökumenischen Familiengottesdienst. «Für mich gehen damit ein lang gehegter Wunsch und eine Vision in Erfüllung, dass wir alle Jugendliche integrieren können, auch wenn sie schwerst behindert sind», sagt Haru Vetsch. Er leitet die Fachstelle Integration bei der Evangelischen Landeskirche Thurgau und setzt sich neben seiner Tätigkeit als Pfarrer in Frauenfeld für die Eingliederung aller Personen in den kirchlichen Gemeinden ein. Sein Grundsatz: Jeder Mensch ist anders, und alle gehören dazu. Das soll spürbar gemacht werden: «Gott sagt Ja zu jedem Kind und Gott segnet das Kind und die Familie auf besondere Weise.»

Stärken stärken
Neben Pfarrer Vetsch ist eine Religionslehrperson mit einer Jahreslektion von der Kantonalkirche angestellt, um Konfirmandinnen und Konfirmanden mit speziellen Bedürfnissen zu betreuen. Wie generell im heilpädagogischen Bereich geschieht dies höchst individuell. «Wir wollen Stärken stärken », erklärt Vetsch. So begleitet die Religionslehrperson jede Konfirmandin und jeden Konfirmanden einen Tag und kann so in etwa erfahren, was für die Person jeweils wichtig ist. Ein Prozess, der viel Zeit und Geduld erfordert. Mutter unterstützt Pfarrer In der Kirchgemeinde Romanshorn-Salmsach besteht wie in einigen anderen Kirchgemeinden seit Jahren eine Zusammenarbeit mit dem Heilpädagogischen Zentrum Romanshorn (HPZ). Derzeit werden 13 Schülerinnen und Schüler im HPZ ökumenisch in Religion unterrichtet. «Für den diesjährigen Konfirmandenjahrgang haben sich drei Schülerinnen und Schüler zum Konfirmationsunterricht angemeldet», berichtet der Romanshorner Pfarrer Lars Heynen. Der Wunsch dazu kommt von den jungen Erwachsenen selbst. «Sie wissen, dass Jugendliche ihres Jahrgangs in den Konfirmationsunterricht gehen und dann konfirmiert werden. Gerne möchten sie da dabei sein», erklärt Heynen den Wunsch seiner angehenden Konfirmanden. Eine Mutter unterstützt den Unterricht dieses Jahr als Begleiterin. Sie sagt: «Wenn mein Sohn sich wünscht, konfirmiert zu werden, will ich ihm helfen, dass er das kann.»

Kirche für alle
Eine Person musste sich aufgrund der damit zusammenhängenden Strapazen aber bereits wieder abmelden. Die Herausforderungen stellen sich dabei schon in organisatorischer Hinsicht. Die HPZ-Schüler müssen in die neuen Unterrichtsräume begleitet werden, da sie sich dort noch nicht auskennen. Heynen bereitet dabei gezielt einzelne Einheiten des Konfirmationsunterrichts vor, in denen auch Konfirmanden aus anderen Schulen teilnehmen. «Dies geschieht, damit die Gruppe sieht, dass diese Schüler auch dazu gehören », so Heynen. Es ist ein Aufwand, der sich lohnt: Punktuell wird damit sichtbar, dass die Kirche für alle zugänglich ist. «Wir sind ja alle nicht perfekt, doch dürfen wir alle in Gottes Haus kommen und unter seinen Verheissungen leben», so Pfarrer Heynen.

 

(Emil Keller)

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