Ankommen

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03.10.2022
Ankommen braucht Zeit und Begleitung. Gerda Gossweiler aus Näfels schreibt in der Rubrik «Glaube heute» über Veränderungen und das Ankommen.

Von Gerda Gossweiler, Näfels

«Jede Veränderung im Leben ist eine Chance.»

So oder ähnlich lautet ein Sprichwort. Aber es gibt Veränderungen, die so plötzlich und tragisch sind, dass sie nicht als Chance wahrgenommen werden – oder vielleicht später.

Ankommen braucht Zeit. 
Als ich vom Unterland in den Kanton Glarus gezogen bin, war diese Veränderung geplant. Arbeitsstelle, Verwandte und Freundeskreis blieben im Unterland. «Und? Bleibst jetzt im Glarnerland oder kommst wieder zurück?», wurde ich oft gefragt. Meine Antwort war: «Ich gebe mir ein Jahr Zeit, um anzukommen.» Und ein Jahr später war’s soweit. Ich bewarb mich als Lehrerin in Glarus, um hier zu arbeiten. Nun unterrichte ich Jugendliche, die die aktuelle Veränderung in ihrem Leben nicht planen konnten: Über Nacht fielen Bomben und zerstörten ihr Haus, ihre Schule, ihre Lebensgrundlage.

Nun sind sie in Glarus angekommen, wohnen hier, kommen zur Schule. Es gibt Tage, da sind sie voll dabei, beteiligen sich sehr aktiv am Unterricht – und Tage, da wirken sie zerstreut, apathisch, müde und ich schaue in traurige Gesichter. Sind sie wirklich angekommen? Wollten sie überhaupt ankommen? Eine Elterninformation steht an. Thema: Unser Schulsystem, die Zukunftsmöglichkeiten. Ich bin gespalten. Einerseits möchte ich ihnen ihre Chancen in der Schweiz aufzeigen, gleichzeitig hoffe ich mit ihnen, dass dieser Krieg bald vorbei ist und sie wieder in ihre Heimat zurückkönnen.

Was kann ich ihnen in dieser Situation geben?
«Nun aber bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe – aber die Liebe ist die grösste unter ihnen.» Dieser Satz von Paulus kommt mir oft in den Sinn. Ich bestärke die Jugendlichen im Glauben und in der Hoffnung auf baldigen Frieden. Und ich freue mich, dass ich sie liebevoll auf einem kurzen Lebensabschnitt unterstützen und begleiten darf.