Frauenwahlrecht: «Ziit isch da»
«Die Frau gehört ins Haus, ins Bundeshaus!», gab sich die Luzerner Rechtsanwältin Josi (Josephin) Meier kämpferisch. Bis zur Einführung des «Frauenstimmrechts» sei es nur noch eine Frage der Zeit. Es war 1969, ein ereignisreiches Jahr, in dem nicht nur der erste Mann den Mond betrat und die Geburtsstunde des Internets war, just in jenem Jahr begann der Abstimmungskampf um das Frauenwahlrecht im Kanton Luzern.
«Niemand konnte damals sagen, wie es ausgehen würde», erzählt Silvia Hess vom Historischen Museum Luzern, das aktuell eine Sonderausstellung zur Geschichte des Frauenstimmrechts zeigt. Zu oft schon war dieses Ansinnen abgelehnt worden. Und doch schien dieses Mal etwas anders zu sein. Die Stimmung hatte zugunsten der Frauen gedreht.
Vorreiterrolle der Kirchen
Den Stimmungswandel löste die Aufbruchstimmung während den 1960er-Jahren aus. Normen wie Geschlechterrollen wurden infrage gestellt. Und unlängst war im Kanton Luzern etwas Erstaunliches passiert: Die reformierte Landeskirche hatte den Frauen in kirchlichen Angelegenheiten ein Stimmrecht gegeben. 1969 hatte die reformierte Kirche den Status einer Landeskirche erhalten, gleichzeitig mit der katholischen und christkatholischen Kirche. Im Zuge des neuen Status hatten die männlichen Stimmberechtigten der Kirchgemeinden eine Verfassung angenommen, die den Frauen in der Kirche ein Stimmrecht gaben. Damit war passiert, womit niemand gerechnet hatte: Luzerner Frauen durften in der Kirche ihr Stimmrecht ausüben – in der Politik hingegen nicht.
Gegnerinnen zuhauf
Trotzdem gab es noch genügend Gegner, selbst aus den Reihen der Frauen. Die Gegnerinnen waren meist gut gebildet wie Ida Monn-Krieger aus St. Niklausen bei Luzern. Sie war Präsidentin des Bunds der Schweizerinnen gegen das Frauenstimmrecht, verheiratet und gut situiert. Ida Monn-Krieger trat im nationalen Fernsehen in einer Diskussionssendung auf und plädierte dafür, dass man Frauen davor schützen müsse, von Männern politisch unter Druck gesetzt zu werden. Ihr Engagement selbst war natürlich ein Paradox, weil sie damit ihre Fähigkeiten politisch zu argumentieren, unter Beweis stellte – was sie den Frauen allgemein absprach.
Die Befürworterinnen hingegen vermieden es bewusst, öffentlich aufzutreten. Männer sollten Männer überzeugen, so ihre Devise – schliesslich konnten nur die Männer abstimmen.
Es war eine Volksinitiative der Konservativen Volkspartei (KVP, Vorgängerin CVP), unter dem Motto «Ziit isch da», die das Frauenstimmrecht in Luzern im Oktober 1970 zur Abstimmung gebracht hatte. Kurz zuvor stellte sich auch der Regierungsrat des Kantons Luzern dahinter. In seiner offiziellen Botschaft verwies er auf die Kirchen. Man habe mit dem Frauenstimmrecht in kirchlichen Angelegenheiten, das 1969 mit den Landeskirchen eingeführt wurde, positive Erfahrungen gemacht.
Am 25. Oktober 1970 stand das Ergebnis fest. Die Luzerner Männer stimmten der Einführung des kantonalen und kommunalen Frauenstimmrechts mit 63 Prozent Ja-Stimmen zu, 37 Prozent waren dagegen.
Vier Wochen zuvor
«Das Luzerner Ja stellte knapp vier Monate vor der nationalen Abstimmung einen wichtigen Vorentscheid für das Frauenstimmrecht auf eidgenössischer Ebene dar», sagt Silvia Hess. Nur vier Wochen vor der Abstimmungin Luzern hatten die Stimmberechtigtendes Kantons St. Galleneine fakultative Einführung des Frauenstimmrechts auf Gemeinde-Ebene abgelehnt. Luzern war damit der dritte Deutschschweizer Kanton, der das Frauenstimmrecht eingeführt hatte.
Vier Monate später, am 7. Februar 1971, wurde das Frauenstimmrecht dann auf eidgenössischer Ebene mit 65 Prozent Ja-Stimmen angenommen. In einigen Kantonen und Gemeinden dauerte es allerdings noch viele Jahre, bis die Frauen das politische Mitspracherecht erhielten.
Als eine der ersten Nationalrätinnen zog Josi Meier 1971 ins Bundeshaus. Ihren Ausweis allerdings, um ins Bundeshaus zu gelangen, musste sie mit Füllfeder korrigieren. Aus einem Nationalrat macht sie eine Nationalrätin. Auch andere Pionierinnen konnten nun erstmals in öffentliche Ämter gewählt werden.
So wurde Margrit Weiss 1974 erste Amtsrichterin in Luzern. Es war wohl eine Genugtuung für sie: Arbeitskollegen hatten ihrem Vater einst gesagt, er solle das Geld für das Studium seiner Tochter lieber gleich in den See werfen, als es für ihre Ausbildung auszugeben.
Carmen Schirm-Gasser
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