Am Ort der Wertschätzung
Ein liebevoll vorbereiteter Apéro erwartet die Gäste im hellen, freundlichen Raum. Der Leiter der Gassenküche, eine Mitarbeiterin und der Koch heissen alle willkommen.
Esswaren von der «Schweizertafel»
Der Leiter Mithat Foster stellt der Besuchergruppe die Arbeit der Gassenküche vor. Sie fusse, so Foster, ganz auf Spenden, auch wenn sie der Stiftung Suchthilfe angegliedert sei. Die Mahlzeiten kosten die Gäste drei Franken – ein Zeichen, dass der warme Raum und ein gutes Essen auch Menschen mit Geldnot etwas wert sein soll und darf.
«Ich habe einen ‹Seich› gemacht, in der Gassenküche aber eine Chance bekommen.»
Für die regelmässigen Gäste stellt sich das Menü aus dem zusammen, was über «die Schweizertafel» von den Grossverteilern statt im Abfall in der Küche der Gassenküche ankommt. Die Köche, selbst (ehemalige) Gäste, bekommen eine Chance, ihrem Leben eine Aufgabe und eine Wende zu geben und eine wertgeschätzte Tätigkeit zuverlässig zu erfüllen.
Klare Regeln und Konsequenzen
Das Essen schmeckt ausgezeichnet, die Gespräche an den Tischen sind rege, die Atmosphäre entspannt und fröhlich. So geht es in diesem Raum nicht immer zu. Die Mitarbeitenden sind gefordert, der Stimmung im Raum achtzugeben und einzuschreiten, wenn sie zu kippen droht. Es gibt klare Regeln und Konsequenzen, wenn sie gebrochen werden. So ist es gelungen, dass die Gassenküche heute auch im Quartier akzeptiert ist.
Falsche Freunde
Zwischen Hauptgang und Dessert schenkt der Koch dieses Abends einen Einblick in sein Leben: Schwierige Lebensbedingungen als junger Mensch, verbunden mit «falschen» Freunden führten in ein Suchtproblem. Schliesslich habe er einen «Seich» gemacht und musste dafür büssen. Das habe geschehen müssen, damit er jetzt seinem Leben eine andere Richtung geben könne. Die Chance, die er hier bekommen habe, tue ihm gut, mache ihm Mut und öffne ihm und seiner Freundin einen Weg in die Zukunft. Es sei möglich, da herauszukommen, betont er überzeugt. Es brauche diesen Ort und die Menschen, die ihm und anderen Betroffenen diese Chance geben.
Offenes Herz und Verständnis
Die Gäste an diesem Abend haben ein Herz für diejenigen, die es gerade schwer haben im Leben. Sie alle schenken freiwillig von ihrer Zeit, um Patientinnen und Patienten den Gottesdienstbesuch in der Spitalkapelle zu ermöglichen. Viele tun dies seit Jahren.
«Das Miteinander und das Dasein für Patienten bereichern die Freiwilligen.»
Es macht ihnen allen grossen Eindruck, was sie an diesem Abend in dieser ungewöhnlichen Gaststätte erleben. Zugleich gehören auch sie zu den Menschen, die anderen Menschen etwas ermöglichen. Sie tragen sich in einen «Dienstplan» ein und begleiten am Sonntagmorgen die Spitalaufenthalter in Betten und Rollstühlen in den Gottesdienst und anschliessend zurück in ihre Zimmer. Dieser Dienst gibt Freiwilligen persönlich viel zurück in der Begegnung mit Menschen, die momentan im Spital sein müssen. Das Miteinander und das Dasein für Patientinnen und Patienten bereichere sie, so erzählen sie immer wieder in neuen Geschichten, die sie dabei erlebten.
Text: Maja Franziska Friedrich, Pfarrerin Kantonsspital St. Gallen | Foto: Mithat Foster – Kirchenbote SG, März 2019
Am Ort der Wertschätzung