«Auch jüngere Menschen suchen Unterstützung»

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28.01.2021
Psychotherapeutin Andrea Imper Kessler von der Evangelisch- reformierten Einzel-, Paar- und Familienberatung St. Gallen: «Unsicherheit gab es schon immer. Aktuell herausfordernd ist die kollektive Erfahrung.»

In letzter Zeit habe sie viel zu tun, sagt Imper Kessler gut gelaunt. Aber das sei nicht nur der Pandemie geschuldet, sondern auch dem Jahreswechsel. «Über die Festtage gibt es aufgrund unterschiedlicher Erwartungen vermehrt Konflikte.» Die psychologische Beratung steht Einzelpersonen, Paaren und Familien offen. Während des ersten Lockdowns verschoben manche ihren Termin aus Angst vor einer Ansteckung – «bis irgendwann klar wurde, dass man nicht abwarten kann, bis alles vorbei ist». So seien die meisten nach und nach wieder in die Praxis zurückgekehrt, wobei sich auch Gespräche per Telefon oder Video etabliert hätten. Insgesamt mache sie mit der Beratung auf Distanz gute Erfahrungen, so Imper Kessler, und doch bevorzuge sie die physische Begegnung, «gerade jetzt, wo soziale Kontakte zu kurz kommen». Die neu bezogenen Praxisräumlichkeiten bieten ausreichend Platz dafür.

Zukunftsperspektive fehlt

Hat sich die Beratungstätigkeit durch Corona verändert? «Die Mechanismen der zwischenmenschlichen Probleme haben sich nicht völlig verändert, auch die Lösungsansätze nicht.» So gehe es häufig darum, eine Plattform zu schaffen, um sich über Wünsche, Bedürfnisse und Ängste offen auszutauschen. Junge Erwachsene, früher in ihrer Praxis selten vertreten, klopften seit letztem Herbst öfter an. Die Beobachtung stimmt sie nachdenklich: «Wenn Kontakte zu Gleichaltrigen im Zentrum stehen, die Welt sich öffnet für den Berufseinstieg oder den Beginn eines Studiums, kann das Gefühl entstehen, ausgebremst zu werden.» Eine fehlende Zukunftsperspektive könne eine Krise auslösen.

Kurzfristig Denken

Viele Menschen sind mittlerweile coronamüde, beklagen fehlende Kontakte, haben Zukunftsängste, kämpfen mit Unsicherheiten. «Wichtig ist, dass man sich über seine Befindlichkeit, seine Sorgen austauscht.» Und zwar nicht nur im therapeutischen Setting, sondern auch im persönlichen Umfeld. Der Austausch könne Verständnis und Zuversicht schaffen. «In schwierigen Situationen ist es hilfreich, in kleinen zeitlichen Einheiten zu denken, statt drei Monate vorauszuplanen. Sich Zeitfenster zu schaffen, in denen die Sorgen Raum bekommen, sie aufzuschreiben, in eine Schublade zu stecken – um sich anschliessend Positivem zuzuwenden.» Solche Strategien seien aber nicht erst seit Corona nützlich: «Unsicherheiten und Sorgen begleiten uns ja auch sonst.»

Text: Julia Sutter | Foto: Andreas Ackermann – Kirchenbote SG, Februar 2021

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