Auf der Suche nach Authentizität

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21.01.2019
Der Film über den Reformator Ulrich Zwingli läuft derzeit in den Schweizer Kinos. Regisseur Stefan Haupt erklärt, warum er in säkularen Zeiten einen Film über Religion wichtig findet und was von Zwinglis Erbe heute noch Gültigkeit hat.

Warum haben Sie in Zeiten wachsender Säkularisierung einen Film über Religion gemacht?
Stefan Haupt: Unsere gelockerte Bindung an die Religion hat viele gute, wichtige Seiten. Doch Säkularisierung bedeutet auch Verlust, wenn nur noch Kapitalismus und Egoismus im Vordergrund stehen. Dann geht etwas an Gemeinschaft verloren, das durchaus in Grundgedanken der Religion zu finden wäre. Spannend ist zudem, dass die steigende Islamophobie, die wir aktuell beobachten können, aus uns allen plötzlich wieder Christen zu machen scheint, obwohl die meisten deshalb ja nicht öfter in die Kirche gehen.

Wer war Zwingli für Sie persönlich? Ein revolutionärer Denker, der die Kirche dem Volk näher brachte, oder ein widersprüchlicher Charakter mit differenten Beweggründen?
Haupt: Für mich war er kein «Revolutionär». Er wollte auch nicht aus purer Lust gegen die Obrigkeit kämpfen. Vielmehr trieb ihn ein Wissensdurst an, kombiniert mit einem tiefen Gerechtigkeitssinn, dem er sich durch seine Herkunft, mit einem Gemeindeammann als Vater, verpflichtet fühlte.

«Man soll tun, was man predigt und die Bibel ernst nehmen.»

In der Zentralbibliothek habe ich original handschriftlich verfasste Schriftstücke von Zwingli gesehen. Aus ihnen wird ersichtlich, wie er hebräische, griechische und lateinische Bibeltexte tage- und nächtelang studiert haben muss, um sie mit der richtigen Bedeutung ins Deutsche zu übersetzen. Diese Suche nach Authentizität strebte er kompromisslos an.

Die Kirche verdankte ihre Macht auch dem weitverbreiteten Analphabetismus des Volkes. Doch hätte sie diese auch ausüben können, wenn die Menschen gebildeter gewesen wären?
Haupt: Ganz sicher hat der Zuwachs von Bildung dem Volk geholfen, den Mächtigen auf die Finger zu schauen. Paradox an der heutigen Situation ist hingegen, dass uns unglaublich viel Wissen zugänglich ist – und trotzdem fehlt uns die Zeit oder wir nehmen sie uns nicht und fühlen uns von so vielen Faktoren überfordert, dass wir diesem Wissen ohnmächtig gegenüberstehen. Wer verwaltet Wissen? Wer hat die Macht, Wissen zu verbreiten? Diese Fragen bleiben relevant, gerade dann, wenn der Zugang zu mehr Bildung der Schlüssel zu einer demokratischeren und gerechteren Welt ist.

Was hat Zwingli uns heute zu sagen?
Haupt: Dass man offen und ehrlich, auch mit einer gewissen Unerschrockenheit, für seine Überzeugungen einsteht. Man soll tun, was man predigt, die Bibel ernst nehmen und sie umsetzen, ohne sich hinter Sachzwängen zu verstecken. Das sind Dinge, die ich nach wie vor für sehr relevant und wichtig erachte.

Der Reformator trat gegen die Missstände in der katholischen Kirche ein. Diese wird zurzeit von Skandalen gebeutelt. Brauchen die Menschen heute einen neuen Zwingli?
Haupt: Das Ziel muss ein gemeinschaftliches Miteinander aller Konfessionen sein. Es ist nicht an mir, hier den Richter zu spielen – aber ja: Es gibt Punkte in der katholischen Kirche, die für mich nach wie vor sehr virulent sind. Neben der Aufklärung und Aufarbeitung aller Missbrauchsfälle ist das sicher auch das Hinterfragen des Zölibats. Wie viele andere hatte ich grosse Hoffnungen in den neuen Papst gesetzt und bedaure umso mehr, dass er nicht deutlichere Worte beispielsweise zum Thema Homosexualität findet, oder schüttle ungläubig den Kopf zu dem, was er zum Thema Abtreibung als Auftragsmord gesagt hat. Es wäre wünschenswert, wenn starke Bewegungen, die Veränderungen bewirken könnten, aus der Kirche – sowohl der katholischen, wie genauso der reformierten – selbst herauskommen.

 

Text: kath.ch – Sarah Stutte, Filmjournalistin | Foto: Filmausschnitt – Kirchenbote SG, Februar 2019

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