Carl Lutz – ein Vorbild auch für heute

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01.04.2019
Es gelte die Erinnerung an einen Menschen mit Mut und Zivilcourage wachzuhalten, der in den Kriegsjahren in Budapest zehntausende von jüdischen Menschen mit gewagten Aktionen selbstlos vor der Verschleppung in Konzentrationslager gerettet hat. Gerade in heutigen Zeiten könnte und müsste solches Handeln Vorbild sein. Dies erklärte der Ausserrhoder Regierungsrat Köbi Frei in einer Feierstunde bei der Enthüllung einer Gedenktafel am Geburtshaus von Carl Lutz in Walzenhausen.

Lutz habe als Diplomat genau gewusst, was staatliches Recht bedeutet, doch in Budapest habe er nicht weggeschaut, sondern seine Chance gesehen und „das Richtige getan“, auch wenn er dabei seine Karriere, ja sein Leben aufs Spiel gesetzt habe, sagte der Regierungsrat. Dieser Tenor war auch aus den zahlreichen weiteren Reden und Grussadressen herauszuhören, die Carl Lutz als „Leuchtturm“, „Beispiel“ und „Lichtgestalt“ auch für heutige und künftige Generationen würdigten.

Grosser Aufmarsch
Gegen 100 Personen aus nah und fern mögen es gewesen sein, die dem Anlass vor Ort beim Haus Wilen 404 zwischen Walzenhausen und Au SG beiwohnten, was selbst Initiant und Organisator Adrian Keller sichtlich überraschte. Er konnte zahlreiche amtierende und ehemalige Vertreter von Politik und Kirchen aller Konfessionen sowie Verwandte des Geehrten um Stieftochter Agnes Hirschi und der ganzen «Carl-Lutz-Familie» bei schönstem Frühlingswetter willkommen heissen.

Gemeinderätin Elsbeth Diener, unweit des Geburtshauses aufgewachsen, überbrachte die Grüße der Walzenhauser Behörden und würdigte den «unvorstellbaren Mut» für die selbstlose Rettungsaktion gegen alle Widerstände. Sie erinnerte nicht ohne Stolz daran, dass die Gemeinde Walzenhausen mit der Ernennung von Carl Lutz zum Ehrenbürger bereits 1963 seine Verdienste anerkannt hatte, lange bevor die eidgenössischen Behörden, die ihn zunächst wegen Kompetenzüberschreitung gerügt hatten, ihn offiziell rehabilitierten.

Der Heimat verbunden
Stieftochter Agnes Hirschi, die sich unermüdlich um das Andenken von Carl Lutz kümmert, enthüllte mit sichtlicher Bewegung die schlichte Gedenktafel am Geburtshaus, die bewusst in Anlehnung an die Tafeln der Persönlichkeiten am im Frühling 2017 eröffneten Themen-Wanderweg „Appenzeller Friedens-Stationen“ gestaltet wurde. Agnes Hirschi betonte, ihr 1975 verstorbener Vater hätte sich sicher über die Ehrung und den Schmuck seines Geburtshauses enorm gefreut, denn er sei auch in seiner Diplomatenlaufbahn immer wieder gerne in die Heimat seiner Kindheit zurückgekehrt, deren landschaftliche Weite ihn sehr geprägt habe. Sein Lieblings- und Entspannungsort sei die Meldegg gewesen, wohin es ihn auch von seinem letzten Wirkungsort als Konsul in Bregenz und nach der Pensionierung immer wieder gezogen habe, wie auch Tagebucheinträge zeigen, aus denen die Gründungspräsidentin der in Bern domizilierten Carl Lutz Gesellschaft zitierte.

Im Namen der Geretteten
Jürg Niederer, ein Verwandter des Diplomaten, berichtete von den Bemühungen, Carl Lutz für den Friedens-Nobelpreis vorzuschlagen, die letztlich trotz prominenter Unterstützung erfolglos geblieben waren, obwohl er es in der Endausmarchung unter die letzten fünf von 50 Anwärtern geschafft hatte. Er überreichte der Stieftochter bei ihm aufgetauchte Dokumente samt dem militärischen „Grabstein“, die nun den Weg ins Archiv für Zeitgeschichte der ETH finden werden. Im Namen der Geretteten würdigte auch Jutta Berger vom jüdischen Museum Hohenems die Zivilcourage und den Mut von Carl Lutz, sich dem damaligen Zeitgeist zu widersetzen. Man dürfe nicht müde werden, daran zu erinnern, denn die Zeiten stünden heute wieder auf Ausgrenzung, gerade in Ungarn mit beängstigenden Aufmärschen von Neonazis, die von Europa tatenlos hingenommen würden.

 Von Methodismus geprägt
Dann war die Reihe der zahlreichen Redner unter anderem auch noch an Vertretern der Kirchen. Pfarrer Ueli Frei, Fläsch, hob einen wenig bekannten Aspekt des Geehrten hervor, wonach dieser nicht nur von einer christlich-humanitären Gesinnung geprägt gewesen sei, sondern konkret von der methodistischen Kirche, deren eifriges Mitglied er war und die in der Region in Rheineck ein starkes Zentrum hatte. Seine Mutter hatte anfangs des 20. Jahrhunderts dafür gesorgt, dass sich die Familie Lutz dieser Konfession aus dem anglikanischen Raum anschloss, ja im Geburtshaus in Walzenhausen fanden regelmässige Versammlungen statt.

Der reformierte Walzenhauser Pfarrer Klaus Stahlberger erinnerte im Zusammenhang mit dem Wirken von Carl Lutz an das biblische Wort „Was ihr dem geringsten meiner Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ und sein katholischer Amtskollege Eugen Wehrli sekundierte mit einer Talmud-Stelle: „Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt“. Carl Lutz übertreffe solche Gleichnisse bei weitem. Er sei „ein Leuchtturm in einer Zeit grösster Unmenschlichkeit“ gewesen.

Die Feier wurde von Alphornklängen der Gruppe Seeblick Walzenhausen unter der Leitung von Guido Seitz würdevoll umrahmt und endete mit einem von der Gemeinde offerierten Apéro in der Mehrzweckanlage.

 

Text: Carl Lutz Gesellschaft,  Foto: Hanna Keller, Walzenhausen/AR, Schweiz  – Kirchenbote SG, April 2019

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