Christus lebt am Rande
Tausend Delegierte haben sich darüber an der 14. Weltmissionskonferenz des Ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) in Tansania ausgetauscht. Heinz Fäh war als Delegierter des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbunds (SEK) mit dabei.
Mittelpunkt hat sich verschoben
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich der Mittelpunkt der Anziehung der weltweiten Christenheit in den globalen Süden und Osten verlagert. Es ist eine bunte und vitale, aber auch bedrängte Kirche am Rand der globalen Wirtschafts- und Finanzzentren. Besonders evangelische Kirchen wachsen in Afrika, Asien und Lateinamerika. In China hat sich beispielsweise die Zahl der Christen innert dreier Jahrzehnte um den Faktor 20 bis 30 multipliziert. Zurückhaltende Schätzungen gehen von 70 bis 80 Millionen aus. Trotz zunehmender staatlicher Repression sind die chinesischen Kirchen Orte, wo Menschen verlässliche und heilsame soziale Beziehungen erfahren.
Viele Delegierte des Südens und Ostens sprechen im Blick auf Europa, wo die Zahl der aktiven Christen zurückgeht, von einem alten und spirituell schwach gewordenen Kontinent. Manche sehen gar in der «umgekehrten Mission» ihren Auftrag. Migration vom globalen Süden in den Norden verstehen sie auch als Teil ihres christlichen Auftrags.
Gewandelter Begriff der Mission
Der Titel der Konferenz war programmatisch: «Moving in the Spirit: called to transforming discipleship – Leben aus dem Geist Gottes: berufen zu einer verwandelnden Jüngerschaft». Längst hat sich der Missionsbegriff gewandelt. Neben der klassischen Evangelisation gehören auch Entwicklungszusammenarbeit, weltweite Diakonie, der interreligiöse Dialog sowie «Advocacy», das Einstehen für die Rechte der Diskriminierten, zum missionarischen Auftrag der Kirchen. Immer wieder kamen denn auch Menschen zu Wort, die sich als Marginalisierte erleben: Frauen, Vertreterinnen und Vertreter von ethnischen, religiösen, sozialen Minderheiten, Menschen mit einer Behinderung oder auch Betroffene des Klimawandels. Sie erzählten ihre teilweise bedrückenden Geschichten.
Nachfolge hat heute für viele Christen einen hohen Preis. Deutlich wurde das in der Rede des Patriarchen der Syrisch Orthodoxen Kirche. In einer traumatisierten, hasserfüllten Gesellschaft sei es Aufgabe der Kirche, die Liebe Jesu zu bezeugen und Vergebung zu praktizieren, sagte Ephräm II. Karim.
Relevant wird Kirche überall dort, wo sie das Evangelium mutig verkündigt und zugleich konkrete Hilfe für die Menschen leistet.
Während der Teepause sitze ich neben Myung-gee Chung, einem älteren koreanischen Christen, der für seinen Glauben während der Militärdiktatur im Gefängnis sass. Heute ist er Direktor eines Diakoniewerks. Neben ihm sitzt eine junge burmesische Christin, die von den schwierigen Bedingungen berichtet, unter denen sie ihren christlichen Glauben in ihrer Heimat lebt, doch sie strahlt Selbstvertrauen und Optimismus aus.
Evangelium verkünden, Hilfe leisten
Solche Gespräche machten deutlich: Jesus braucht uns Schweizer Reformierte nicht unbedingt, um das Reich Gottes zu verwirklichen, aber wir brauchen ihn. Und wir brauchen unsere Schwestern und Brüder in der ganzen Welt, um Teil seiner Kirche zu sein. Sie zeigen uns, dass Christsein begeistern kann, aber auch einen Preis hat.
Relevant wird Kirche überall dort, wo sie das Evangelium mutig verkündigt und zugleich konkrete Hilfe für die Menschen leistet, die am Rand der Gesellschaft leben. Oder, wie es Pfarrerin Najla Kassab Abousawan aus dem Libanon sagte: «Bei der Mission geht es nicht um uns, sondern um die anderen.»
Text: Heinz Fäh, Kirchenrat und Pfarrer, Rapperswil-Jona | Foto: meka
Christus lebt am Rande