"Da verbinden sich Himmel und Erde..."
Als damals in Babel ein Turm bis an den Himmel gebaut werden sollte, hatte Gott bekanntlich keine Freude (Genesis 11,1-9). Der Turmbau von Babel steht für die Selbstüberschätzung und den Grössenwahn der Menschen. Auch christliche Kirchtürme und ihre Geläute haben als Machtsymbole und Herrschaftszeichen eine schwierige Vergangenheit.Christentum geht ganz gut auch ohne Türme und Glocken. Die ersten christlichen Kirchtürme wurden ab dem 6. Jahrhundert gebaut. Erst im 11. Jahrhundert wurden Kirchtürme zum Normalfall. Christliche Kirchtürme waren dabei nicht unumstritten: Zisterzienser, Dominikaner und Franziskaner untersagten das Errichten von Türmen bei ihren Klöstern.
Neu reformieren vom Himmel her
Und trotzdem – die Reformierten feiern im Appenzellerland ihr 500-jähriges Jubiläum, indem sie ihre Kirchtürme bespielen. Nicht ohne Grund: Unsere Türme sind weitherum sicht- und hörbare Zeichen für den Glauben. Sie weisen den Menschen über sich selber hinaus. Sie verbinden Himmel und Erde. Sie sind Wegmarken für die unsichtbare Welt und Aussichtspunkte für den Weitblick auf die Schöpfung. Sie strukturieren mit ihrem Stundenschlag und ihren Uhren unsere begrenzte Lebenszeit. Ihr Geläut ruft zum Feiern und zum Gebet, zum Hören auf das Wort Gottes, zum Innehalten im Alltag; es begleitet den Segen für den Eheschluss und die Taufe genauso wie die traurigen Stunden des Abschieds. Die Kirchtürme zeigen: Wir können uns auf unserem Lebensweg immer wieder von neuem nach der Botschaft des Himmels ausstrecken.
Türme sind keine Denkmäler
Sicher kennen Sie gotische Kirchtürme, die aussehen, wie wenn sie nicht ganz fertig gebaut wären, weil ihnen die Spitze oder der Helm fehlt wie beispielsweise bei der Kathedrale von Fribourg. Bei diesen Türmen hat nicht die Baustatik, sondern die Theologie die Architektur bestimmt. Solche Türme sind ein Symbol dafür, dass das Menschenmachwerk nicht das Letzte ist: Die Gebete sollen frei zu Gott aufsteigen. Die Gottesbeziehung soll die menschengemachte Architektur überragen. Das Tun der Menschen muss offen bleiben für den Himmel.
Und in diese Richtung weisen unsere Kirchtürme bis heute: Sie sind keine Denkmäler. Sie sind Wegweiser zu einem Glauben, der sich an himmlischen Werten orientiert. Kirchtürme «erden» den Himmel und sie «himmeln» die Erde. Es gibt Höheres als die Kirchenordnung. Der himmlische Geist soll unsere Kirche so freudevoll erneuern, dass Menschen auch heute noch zur Freiheit im Glauben angestiftet werden.
Ein buntes Festprogramm
Mit Ausnahme von Appenzell gibt es rund um alle 19 reformierten Türme im Appenzellerland ein buntes Festprogramm. Von der Lichtinstallation in Rehetobel bis zum Abseilen von den Türmen in Schönengrund und Bühler, von musikalischen Turmbespielungen in Reute, Teufen, Waldstatt, Grub, Rehetobel, Walzenhausen und Trogen, bis zur Chügelibahn im Turm von Heiden, wartet eine breite Palette an Angeboten. Durch verschiedene Fachvorträge und Ausstellungen soll ein breites Publikum auf die Türme und in die Kirchen gelockt werden. An verschiedenen Orten werden die Jubiläumsfeiern zusätzlich mit Familienfeiern, Festgottesdiensten und einem gemeinschaftlichen Essen begangen.
Hereinspaziert und herzlich willkommen!
Den Übersichtsflyer über das Jubiläumsprogramm finden Sie auf: www.ref-arai.ch
"Da verbinden sich Himmel und Erde..."