Dammbruch am See

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21.08.2018
Die Französische Revolution und der neue Kanton St. Gallen brachten auch Jona, das über 250 Jahre lang nur katholisch war, die Wende: Neue Rechte wie die Glaubens- und Gewerbefreiheit liessen das Bauerndorf erblühen. Die Aussaat vollzogen Reformierte.

Die Lichtgestalt für diesen Dammbruch am See hiess Christian Näf. Er kaufte die alte Hammerschmiede am Stadtbach und liess 1803 eine mechanische Spinnerei errichten. Noch heute erinnern die Initialen CN über dem Eingang seines Wohnhauses an der Spinnereistrasse 29 an den Toggenburger. Der Pionier stiess bei den Heimtextilarbeitern vorerst auf Widerstand. Später erwiesen sich die Fabrikanten wie Näf, die Brändlins Hürlimanns oder Bühlers als Wohltäter. 

«Die Konfirmanden wurden zu Beginn ins reformierte Rüti in den Unterricht geschickt.»

Aus dem Zürcher Oberland
In der Blütezeit der Spinnerei surrten mehr als 12 600 Spindeln. Doch woher nahm Jona die Heerscharen von Arbeiterinnen und Arbeitern? Es waren zum Grossteil reformierte Heimwerker aus dem Zürcher Oberland, die an den See strömten. 13 Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche standen Männer, Frauen und noch mehr Kinder an den Maschinen. Um sie unterzubringen, wurden für sie Kosthäuser gebaut. «Sie lebten darin genau so lange, wie sie in der Fabrik beschäftigt waren», sagte Markus Thurnherr, der die Stadtführung am 1. Juni leitete. 

Schulen und eine eigene Kirche
Allein, es fehlte die Bildung. Die Katholischen holten sie sich im Herrenberg in Rapperswil. Jona verweigerte den Reformierten ein Schulhaus. Daraufhin stellte ihnen Fabrikant Brändlin einen Fabrikraum zur Verfügung. Doch die «Winkelschule» platzte schnell aus allen Nähten. Nach der Gründung der evang. Schulgemeinde 1835, stand zehn Jahre später ein neues Schulhaus mit Kletterstange da. Der Pfarrer verlangte von allen Kindern, dass sie schwimmen können. 1842 durften die Reformierten ihre eigene neue Kirche einweihen; bis 1830 hatte die Stadtbehörde eine evang. «Filialkirche» noch abgelehnt. Schliesslich errichteten die Reformierten 1950 die parkähnliche Schulanlage mit Turnhalle in den Hanfländern. Alle Bauten, auch das Kirchgemeindehaus aus dem Jahr 1964, durften immer auf die Unterstützung der reformierten Industriellen zählen. Wie grosszügig sie waren, widerspiegelt sich in den klingenden Namen der Architekten: Kunkler, Bitterli, Oeschger. 

Ankedotenreich
Der über 80-jährige Thurnherr, der für die evang. Kirchgemeinde Rapperswil-Jona die Führung zusammenstellte, erzählte anekdotenreich, packend, bildhaft, als wäre er ein wandelndes Lexikon. Darin stand auch, dass die konfessionell getrennten Schulen, als letzte im Kanton – 1982 – zusammenfanden.

 

Text | Foto: Katharina Meier  – Kirchenbote SG, September 2018

 

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