Ratgeber Glaubensfragen

Darf man an seinem Glauben zweifeln?

von Pfarrerin Claudia Henne
min
27.02.2025
Wir neigen dazu, uns für unsere Zweifel zu schämen – oder zumindest nichts Gutes darin zu sehen. Doch Zweifel und Glaube gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille, sagt Pfarrerin Claudia Henne.
Claudia Henne, Spitalseelsorgerin Schaffhausen

Claudia Henne, Spitalseelsorgerin Schaffhausen

Unsere Kolumne zu Glaubensfragen. Haben Sie Fragen? Schreiben Sie Ihr Anliegen an die Redaktion, wir werden es gerne weiterleiten. redaktion@kirchenbote.ch

Neulich erhielt ich nach einer Predigt eine berührende Rückmeldung: Eine Frau fand es tröstlich, dass ich von meinen eigenen Zweifeln erzählt hatte. Sie war froh, damit nicht alleine zu sein. Manchmal, meinte sie, wisse sie nicht mehr, ob sie genug auf Gott vertraue, da sie so oft an vielem zweifle. Wie gut ich diese Gedanken kenne!

Wir neigen dazu, uns für unsere Zweifel zu schämen – oder zumindest nichts Gutes darin zu sehen. Doch Zweifel und Glaube gehören zusammen wie zwei Seiten einer Medaille. Davon erzählt die Bibel an zentralen Stellen.

Eindrücklich ist die Episode vom zweifelnden Jünger Thomas. Jesus streckt ihm seine Hände entgegen, damit Thomas die Wundmale des Auferstandenen sehen und berühren kann. Erst danach kann er bekennen: «Mein Herr und mein Gott.»

Besonders wichtig ist mir aber die Geschichte von jenem Vater, der Jesus um die Heilung seines kranken Sohnes bittet (nachzulesen bei Markus 9). Die Verzweiflung des Vaters ist spürbar gross. Als Jesus ihm versichert: «Alles ist möglich dem, der da glaubt», kann der Vater wohl nur teilweise zustimmen. Er nimmt beides in sich wahr: sein Vertrauen, seine Hoffnung auf Jesus. Aber auch seine Zweifel, seine Angst, erneut enttäuscht zu werden. Und so schreit er: «Ich glaube, hilf meinem Unglauben!»

Klarer – und ehrlicher – kann die Spannung zwischen Glaube und Zweifel nicht benannt werden. Jesus verurteilt den Vater nicht für seinen Zweifel, sondern heilt den Sohn, ohne Wenn und Aber. Wer sich von dieser Geschichte anrühren lässt, kann getrost die eigenen Zweifel benennen – auch Gott gegenüber. Sie sind Teil unseres Menschseins. Luther geht sogar noch einen Schritt weiter und sagt: «Der Zweifel ist der Wächter des Glaubens.»

Was für eine Perspektive! Unser Zweifel muss nicht ausgesperrt werden, sondern er kann unseren Glauben sogar beschützen: vor leeren Worthülsen und starren Glaubensgebilden. So kann Zweifel unseren Glauben stärken und neu reifen lassen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Jesus auch uns, mit all unseren Zweifeln und Fragen, immer wieder die Hände entgegenstreckt.

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