«Das Herz muss Hände haben»

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18.02.2019
Zum Nachdenken und Handeln: Dazu regen Fastenopfer und Brot für alle an. Sie engagieren sich seit 50 Jahren gemeinsam für eine gerechtere Welt. Vieles wurde erreicht, doch noch heute ist die Entwicklungszusammenarbeit unter Druck.

1968 hat der gesellschaftliche Aufbruch auch die Kirchen erfasst: Das zweite vatikanische Konzil und der ökumenischen Rat der Kirchen forderten die Kirche auf, sich stärker mit der Welt auseinanderzusetzen und sich auch in politische Themen einzumischen. Gleichzeitig war Ende der 1960er-Jahre auch der Enthusiasmus für die Entwicklungshilfe in der Bevölkerung verflogen. Es wurde klarer, dass es mehr braucht als ein paar Jahre engagierten Einsatz, um die – im damaligen Sprachgebrauch – «unterentwickelten» Gebiete dieser Welt von der Armut zu befreien.

Keine Hungerbäuche zeigen
Vor diesem Hintergrund entschieden sich Brot für Brüder, Fastenopfer und Swissaid im Winter 1969, eine Informationskampagne durchzuführen. Es gebe die «Notwendigkeit einer neuen und intensiven Information zur Frage der Entwicklungshilfe». Und es sei «unverantwortlich, als Christen auf die Herausforderungen der Dritten Welt weiterhin getrennt zu antworten». Bei der Gestaltung der Plakate wurde bewusst auf die damals üblichen Kinder mit Hungerbäuchen verzichtet. Dafür wurden Slogans entwickelt, die zum Denken anregen: «Was müsste man tun, um 40 Millionen Menschen verhungern zu lassen? Nichts.» oder «Niemand hungert, weil wir zu viel essen, sondern weil wir zu wenig denken.»

Suppentag – Symbol der Solidarität
1973 gaben Brot für alle und Fastenopfer die erste gemeinsame Agenda heraus, die über Jahre mit ihren Sprüchen und der geballten Ladung Information zum Markenzeichen der Kampagne wurde. Mit der Zeit wurde das Angebot an Unterlagen und Aktionsvorschlägen immer breiter, und man wagte sich auch an anspruchsvollere Projekte wie das Hungertuch (siehe auch S. 10 und 11) und gemeinsame Liturgiematerialien. Die Suppentage, noch heute ein Symbol für gelebte Ökumene in der Schweiz, werden seit 1976 jährlich von Kirchgemeinden und Pfarreien im ganzen Land durchgeführt. 

Ansetzen bei den Ursachen
Wie schon bei der Kampagne von 1969 standen auch später die Sensibilisierung und das Aufrütteln der Menschen in der Schweiz im Vordergrund. Es ging Brot für alle und Fastenopfer immer darum, bei den Ursachen anzusetzen und die Gründe von Ungerechtigkeit und Armut zu beleuchten. Frieden, Umweltschutz, Menschenrechte, gerechte Geschlechterbeziehungen, faires Wirtschaften und die Suche nach einem nachhaltigen Lebensstil sind Themen, welche die Kampa-gne seit 50 Jahren prägen.

«Wer hätte gedacht, dass Fairtrade-Bananen zum Kassenschlager werden?»

Bei vielen dieser Themen sind Fortschritte sichtbar: Wer hätte in den 1970er-Jahren gedacht, dass Fairtrade-Bananen dereinst ein Kassenschlager der Grossverteiler sein werden? Wer hätte nach der Kontroverse um die Ja-Parole der beiden Werke zur Uno-Abstimmung von 1986 daran geglaubt, dass die beiden Organisationen Jahre später eine Initiative für mehr Konzernverantwortung mitlancieren würden? Brot für alle und Fastenopfer wagten sich an heisse Eisen und wurden dafür heftig kritisiert. 

Die Kampagne ist wichtiger denn je
Es ist ein langer Weg, den die Hilfswerke seit 1969 zurückgelegt haben. Und doch erinnert vieles an die Situation vor 50 Jahren. Auch heute steht die Entwicklungszusammenarbeit wieder unter Druck. Noch heute wird die Welt von Ungerechtigkeit und Ungleichgewicht geprägt. In diesem Kontext ist die ökumenische Kampagne wichtiger denn je, um die Menschen zu informieren und zum Handeln zu bewegen. «Das Herz muss Hände haben» – der Agendaspruch vom 27. März 1976 hat bis heute seine Gültigkeit behalten. 

 

Text: Stephan Tschirren | Foto: Ausschnitt bfa-Plakat «Für eine gerechtere Welt» – Kirchenbote SG, März 2019

 

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