«Das Virus darf nicht unsere Beziehungen untergraben»

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03.01.2022
Während die europäischen Kirchen zur Impfung aufrufen, nimmt die Evangelische Kirche Schweiz EKS differenziert Stellung zur aktuellen Impfdebatte.

Angesicht der steigenden Covid-Infektionen in Europa haben die Präsidenten der «Konferenz Europäischer Kirchen KEK» und der «Kommission der Bischofskonferenz der Europäischen Union» einen gemeinsamen Aufruf veröffentlicht: Man soll die Hygienemassnahmen einhalten und sich impfen lassen. Zudem fordern die Kirchen einen weltweit gerechten Zugang zu Covid-Impfstoffen.

Differenzierter Ton
Als Mitgliedskirche der KEK unterstützten die Schweizer Reformierten den Aufruf. Doch das Positionspapier der EKS schlägt einen differenzierten Ton an. Verfasser Frank Mathwig hält darin an der in der Bibel geforderten Solidarität fest, ohne individuelle Freiheits- und Schutzrechte auszublenden. Die aktuelle Diskussionen kreisen um die rechtliche und moralische Pflicht zur Impfung oder um die Frage der Ungleichbehandlung von geimpften und nichtgeimpften Personen, so der Ethiker. Die persönliche Freiheit und die gesellschaftliche Verantwortung prallten aufeinander. Die Impfung führe paradoxerweise zu neuen Ungewissheiten, weil auch Geimpfte ohne Symptome das Virus ahnungslos weitergeben können. Zugleich hat der Protest gegen die staatlichen Massnahmen und die Impfung zugenommen. «Die Coronakrise ist deshalb zu einer Glaubens- und Glaubwürdigkeitskrise geworden», so der Rat EKS.

Braucht es die Impfpflicht? Nein, meint der Rat EKS, der persönliche Impfentscheid sei frei. «Der Schutz vor dem Eingriff in die körperliche Integrität gilt ausnahmslos für jede Person und darf nicht durch ihre berufliche oder soziale Stellung eingeschränkt werden.» Der Rat EKS appelliert dafür, das Bewusstsein zu schärfen, dass die Impfung nicht nur die eigene Gesundheit betrifft, sondern auch die von anderen». «Die Impfentscheidung ist eine höchstpersönliche. Die Begründung muss aber gleichzeitig vor den Menschen standhalten, deren Lebenschancen von der Entscheidung indirekt beeinflusst werden oder werden können.» Solidarität sei der Normalfall und nicht die Ausnahme. «Ethisch begründungspflichtig ist deshalb nicht unsere Solidarität mit anderen, sondern umgekehrt die Verweigerung unserer Solidarität gegenüber denjenigen, die darauf angewiesen sind.»

Die Kirche ist eine Heilsagentur
Nach biblischem Verständnis sei die Kirche keine Gesundheits-, sondern eine Heilsagentur, so der Rat EKS. Sie ist den staatlichen Schutzmassnahmen verpflichtet. Der Rat EKS schliesst eine Ungleichbehandlung von Geimpften und Nichtgeimpften grundsätzlich nicht aus. Aber solche Massnahmen dürfen nicht mit dem negativen Impfstatus der Person begründet werden, sondern nur mit der allgemeinen Gefährdungslage. «Das Virus darf nicht unsere Lebenseinstellung und Beziehungen untergraben», erklärt Mathwig. «Wir dürfen unsere Menschlichkeit nicht auf dem Altar eines monströsen Corona-Gottes opfern.»

Adriana Di Cesare, kirchenbote-online

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