Der digitale Opferstock

min
22.04.2022
Viele Kirchen wollen mit der Zeit gehen und bieten digitale Spendenmöglichkeiten an. Die Vorteile für Spender und Kirche liegen auf der Hand. Die Entwicklung geht jedoch nicht überall gleich schnell voran.

Prominent prangt der quadratische QR-Code auf den Opferstöcken vieler Kirchen. Denn längst wandern nicht mehr alle Spenden über den grossen Schlitz des Opferstocks zur Kirchgemeinde. Immer häufiger geht der Griff der Kirchgängerinnen und Kirchgänger nicht mehr zum Portemonnaie, sondern ans Handy. Mit einem Scan und einer eingetippten Zahl in der Bezahl-App Twint ist die wöchentliche Spende schnell abgegolten. Vorbei sind die Tage, als man das passende Münz oder Banknötli nicht dabeihatte. Mit dem Handy kann der gewünschte Betrag genau gegeben werden. Die Anonymität bleibt gewahrt. Die soziale Kontrolle, wie viel der Banknachbar wohl in den Klingelbeutel wirft, ein Nötli oder Münz, entfällt.

Kein Diebstahl mehr
Immer mehr Kirchgemeinden führen die digitale Möglichkeit zur Kollekte ein. «Die Anzahl an kirchlichen Organisationen und Institutionen, die Twint als Lösung nutzen, bewegt sich im hohen dreistelligen Bereich» sagt Ettore Trento, Pressesprecher bei Twint. «Zahlreiche Kirchen wollen hier mit der Zeit gehen und diese Möglichkeit nutzen. Der administrative Aufwand für die Kirchgemeinden ist tief, da die Beträge direkt auf dem zugewiesenen Konto landen.» Zusätzlich platzieren viele Kirchgemeinden den QR-Code für die Kollekte auch auf ihrer Website oder auf sonstigen Infomaterialien, man kann also nicht nur vor Ort in der Kirche, sondern auch zuhause jederzeit spenden. «Auch in Sachen Sicherheit bietet die Kollekte via Twint Vorteile» sagt Ettore Trento. «Beim physischen Opferstock haben viele Kirchen in der Vergangenheit schmerzhafte Erfahrungen mit Diebstahl und Einbrüchen gemacht. Diese Gefahr entfällt bei Kollektenspenden mit Twint.»

Kollekten um 23 Prozent höher
In Allschwil (BL) gibt es diese Möglichkeit seit rund einem Jahr, in Muttenz (BL) seit diesem Januar. Bis jetzt seien die Erträge überschaubar, sagen die Verantwortlichen. Wenige Gottesdienstbesucher überweisen in der Regel fünf bis zehn und höchstens einmal 20 Franken. In Muttenz geht jeden Sonntag eine Spende von 10 Franken ein, fünf Franken ist der Betrag, der am häufigsten gespendet wird. In Allschwil können neu die Jugendlichen in ihren Räumen mit Twint bezahlen. Der Tenor in beiden Kirchgemeinden: Grundsätzlich sei die Kollekte per Twint eine gute Idee, aber es sei schade, dass von den eh schon kleinen Beträgen jeweils noch 1,3 Prozent Gebühr abgehen.

Anders im Kanton Thurgau. «Seit wir Twint benutzen, sind die Kollekten um 23 Prozent höher ausgefallen als zuvor», erzählt Pfarrer Johannes Hug aus Zihlschlacht-Sitterdorf (TG). «Wir haben eine wirklich sehr gabenfreudige Gemeinde». Mehrere hundert Franken werden so jede Woche gespendet und gehen an verschiedenste Hilfswerke und -institutionen. Je näher dabei der Bezug zu einem konkreten Projekt ist, desto eher wird gespendet. In der Kirchgemeinde Berg kommen ebenfalls pro Sonntag durchschnittlich 800 bis 1000 Franken zusammen – in bar, aber auch digital.

20 Prozent via Twint
Auch im Kanton Luzern ist der Tenor positiv. «Mit Ausbruch der Corona-Pandemie im März 2020 wurde der Bedarf für die elektronische Kollektenmöglichkeit geäussert», sagt Norbert Schmassmann, Synodalrat Evangelisch-Reformierte Landeskirche des Kantons Luzern, Departement Finanzen und Infrastruktur. «Die Landeskirche hat umgehend darauf reagiert.» Seither kann vor allem bei elektronischen Formaten wie Fernsehgottesdiensten oder Online-Gottesdiensten digital gespendet werden. Aber auch bei einzelnen Anlässen, wie jenem im März in der Lukaskirche in Luzern («solidarisch und interreligiös für Frieden in der Ukraine beten»). 5'500 Franken wurden für humanitäre Hilfe gesammelt. Rund 20 Prozent der Eingänge erfolgten via Twint. Bei elektronischen Formaten, wie dem Weihnachts-Fernsehgottesdienst, liegt der Prozentsatz von Twint gemäss Norbert Schmassmann höher.

Emil Keller, Carmen Schirm, kirchenbote-online

Unsere Empfehlungen

Das Ende des Abendmahlstreits

Das Ende des Abendmahlstreits

1973 schrieben die protestantischen Kirchen Europas im Kanton Baselland Kirchengeschichte. Sie beschlossen Kirchengemeinschaft. Dies vereinfacht seither vieles zwischen den Reformierten, Lutheranern und Unierten. Manche Themen sind nach wie vor umstritten.