Der Sack des Anstosses

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22.12.2020
Das dritte Gebot darbt ganz am Ende der Bekanntheitsskala. Laut Umfrage wissen mickrige vier Prozent: «Du sollst den Namen des Herrn nicht missbrauchen.»

Und die anschliessende Drohung – «denn er wird niemanden ungestraft lassen, der mit seinem Namen Schindluder betreibt» – verpufft: Im Namen Gottes wird Unsägliches begangen. Beim Namen Gottes wird Unwahres geschworen. Und mit seinem Namen wurde und wird (un-)gehörig geflucht: Mal ganz direkt («Herrgottnomel!»), mal à la «Scheibenkleister!» beschönigt – man wollte es sich mit dem Allwissenden (und anderen Zuhörerinnen und Zuhörern) nicht verderben. So wurde aus dem herabbeschworenen Blitz Gottes vorsichtshalber «Potzblitz!», aus «Gott verdamme mich!» «gopferteckel» oder der harmlose «Gopfried Stutz». 

Wegen seiner Verwendung in Schwüren machte auch das heilige Sakrament Karriere als Kraftausdruck: «Sackerlot» und «sappermoscht» sind Beispiele einer Fülle von Varianten, die heute eher niedlich wirken. Das verwandte «Heilandsack» immerhin erregte vor Kurzem – als Werbung für das Einsiedler Welttheater auf Tragtaschen prangend – Anstoss: Der Erlöser werde hier quasi unter der Gürtellinie angegriffen, protestierten einige. Doch sogar das Kloster hatte die Aktion vorab abgesegnet, im Wissen um den richtigen Wortursprung. 

Das Göttlich-Furchterregende war einst prädestiniert zur Verwendung im Fluchvokabular, das ja mit Vorliebe im (fast) Unaussprechlichen herumtrampelt. Aber dort tummeln sich seit jeher noch ganz andere Tabuthemen, die dem Himmeldonnerwetter bezüglich Anziehungs- resp. Empörungspotenzial längst den Rang abgelaufen haben (weshalb hier auf explizite Beispiele verzichtet wird …). Die verflixte Säkularisierung macht auch vor Kraftausdrücken nicht Halt!

Text: Philipp Kamm, Ebnat-Kappel | Illustration: Sandra Künzle, St. Gallen – Kirchenbote SG, Januar 2021

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