Der Schritt ins vermeintliche Nichts

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26.11.2020
Träume der Selbstständigkeit lassen sich verwirklichen, weiss Silvia Zurwerra vom Jungunternehmerzentrum in Flawil. Geld sei aber kaum der Antrieb, sich beruflich selbstständig zu machen.

Die Betriebsökonomin Silvia Zurwerra leitet seit knapp einem Jahr das Jungunternehmerzentrum (JUZ) in Flawil (Kasten). Hier berät sie Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen. 

Sich selber verwirklichen

«Der Grossteil will sich selbst verwirklichen, Erfolg haben, der eigene Chef sein, die Zeit frei einteilen oder seine Ressourcen optimal nutzen», sagt die 51-Jährige. Manche wiederum hätten ihre Stelle verloren oder kämen mit dem Betrieb und seinen Strukturen nicht zurecht. «Für andere ist es in der Tat ein Lebenstraum, den sie erfüllen wollen.» Doch bis dahin seien Wille, Knochenarbeit, Biss, Disziplin, Selbstvertrauen und Bescheidenheit gefragt. «Denn in der Startphase ist wenig zu verdienen.

 

«Die Beratung öffnet die Augen und oft vergehen dann die Träume schlagartig.»

 

Viele leben vom Ersparten, andere lösen Vorsorgegelder auf, manche arbeiten weiterhin Teilzeit.» Sitzen die Männer und Frauen mit ihrem Wunsch nach Selbstständigkeit in der Beratung des JUZ, müssen sie ihre Geschäftsidee klar ausformulieren, Gründe nennen, warum sie diesen Schritt machen wollen, die Einzigartigkeit ihrer Dienstleistung oder ihres Produkts hervorheben, ihre Kompetenzen umschreiben und einen Finanzplan erarbeiten. Erst dann werden weitere konkrete Schritte wie die Rechtsform der Firma, der Abschluss von Versicherungen angegangen. 

Auf dem Boden der Realität

«Die Beratung öffnet die Augen, und oft vergehen dann die Träume schlagartig», sagt Zurwerra. Nichtsdestotrotz gäbe es immer solche, die es dann auf eigene Faust probierten. «Vor allem Junge. Sie strotzen vor Selbstvertrauen.» Sie lebten meist bei den Eltern, seien sorgloser, wollten etwas wagen. Scheitern sie, könne der Aufprall auf dem Boden der Realität heilsam sein, ohne grossen Schaden zu hinterlassen. «Diese Erfahrung zu machen, ist ebenfalls wichtig.» Egal, ob man es wagte, selbstständig als Übersetzerin, Schreinerin oder IT-Spezialist tätig zu sein. 

Ich gehe jeden Tag gern arbeiten

Einer, der es geschafft hat, ist Bernhard Gmür. Der Primarlehrer lebte in der Freizeit seine Leidenschaft, das grafische Gestalten, aus. Nach zwei Jahren Schweizer Schule in Rom, Universitätsbesuchen und Kursbelegungen an der St. Galler und Zürcher Schule für Gestaltung merkte der 45-Jährige immer mehr: «Mein Traum wäre es, von meinem Hobby
leben zu können.» Der Uzwiler begann sein Lehrpensum fortlaufend zu reduzieren. Die letzte Konsequenz, das Kündigen der Stelle, blieb aber aus. Der Respekt vor der neuen Herausforderung und die Angst, die Familie nicht durchbringen zu können, liessen den dreifachen Vater zögern. Per Zufall landete er beim JUZ. Viel Hilfe erwartete er nicht. «Doch ich erlebte die Beratung als sehr unterstützend.» Die Aussage, dass man manchmal etwas loslassen müsse, um sich voll und ganz etwas Neuem hingeben zu können, wirkte. «Ich vollzog vor drei Jahren den Schritt ins vermeintliche Nichts.» Seither brummt sein Geschäft. Gmür wirkt äusserst zufrieden und erfüllt. «Ja, ich gehe jeden Tag gern zur Arbeit. Mein Lebenstraum ist wahr geworden.»

Text: Katharina Meier | Foto: zVg/Daniel Castelberg – Kirchenbote SG, Dezember 2020 

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