Der zwiespältige Samichlaus

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19.11.2018
Haben Sie gewusst, dass der Samichlaus verheiratet ist? Seine Gemahlin heisst Frau Holle.

Ich musste mich bis in die Zeit der alten Germanen hinunterwühlen, um das herauszufinden. Damals sei, um die Zeit des Wintereinbruchs, der Gott Wotan mit seinem Totenzug durch die Nächte gestürmt. Dabei packte er auch jene Lebenden, die ihm unter die Augen kamen. Mit dabei war seine Frau, die Göttin Frija, nebenberuflich zuständig für den Schneefall. Im Laufe der Jahrhunderte wurde sie zu jener Frau Holle, die aus der Feder-
decke den Schnee schüttelt. 

Wotan und Nikolaus von Myra
Wotan entwickelte sich zu jenem Chlaus, der in den Tagen vor Sonnenwende unterwegs ist und vorwitzige Kinder in seinen Sack packt.

«So ganz wollte auch Luther nicht auf das Geheimnisvolle verzichten.»

Allerdings ist dieser eine sehr zwiespältige Persönlichkeit! Denn gleichzeitig verkörpert er auch jenen sympathischen Bischof Nikolaus von Myra, der sich Anfang des vierten Jahrhunderts in der heutigen Südtürkei liebevoll um die Armen kümmerte und ihnen heimlich Geschenke brachte. Er starb am 6. Dezember 343, also kurz vor der Wintersonnenwende. 

Verzwickte Symbolik
Wie diese so unterschiedlichen Traditionsstränge sich im Samichlausbrauch verschmelzen konnten, ist eine lang- und vielfädige Geschichte. Die Fäden treffen sich beim Todestag des Nikolaus (6. Dezember). So begegnen sich in diesem Brauchtum auf eigentümliche Weise vorchristliche, dunkle Elemente, die Angst auslösen, mit lichtvollen Aspekten, auf die sich die Kinder freuen dürfen. In eher katholischen Gegenden findet diese Zwiespältigkeit Ausdruck durch zwei Gestalten (Sankt Nikolaus und Schmutzli). In eher evangelischen Gegenden wird beides durch den Samichlaus im Alleingang abgedeckt. Ich ziehe diese Variante vor. Die Widersprüche des menschlichen Lebens wollen nicht aufgeteilt werden.

Eine Heiligenverehrung?
Der Samichlaus sollte bei den evangelischen Christen sowieso ausgerottet sein. In seinem Kampf gegen die katholische Heiligenverehrung setzte Martin Luther diesem Brauch nämlich ein Ende. Er versuchte es mindestens. Bis dahin war Weihnachten geschenkfrei. Die Geschenke wurden am 6. Dezember von Nikolaus gebracht. Wer konnte nun diesen Job übernehmen? So ganz wollte auch Luther nicht auf das Geheimnisvolle verzichten. Vermutlich schob er selber 1531, im Umfeld seiner Familie, diese Funktion dem «heiligen Christ» zu. Wer mit dieser Gestalt genau gemeint war, ist unklar. Jedenfalls brachte jetzt dieser die Geschenke – und zwar neu an Weihnachten. Daraus wurde schliesslich das Christkindlein. So kennen wir es heute und so übernahmen es die Katholiken von den Protestanten. Der Samichlaus hingegen darf – immerhin – für das Christkind noch Propaganda machen.

Vielleicht fragen Sie jetzt: Und wie steht es mit dem Weihnachtsmann im Norden und in den USA; jenem mit Rudolph dem Rentier, der auch bei uns immer häufiger die Häuserfassaden hochklettert? Glauben Sie mir: Es ist sehr kompliziert! 

 

Text: Rolf Kühni | Foto: IngImage  – Kirchenbote SG, Dezember 2018

 

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