«Die Gesundheit geht vor»

min
16.08.2019
Der 31-jährige Skirennfahrer Marc Gisin will nach einem Sturz, Knochenbrüchen und Koma wieder auf die Piste zurück. Nicht so der Freeskier Joel Gisler aus Libingen.

Der Sturz aus sechs Metern Höhe auf die Kante der Halfpipe beim ersten Jump des zweiten Qualifikationsdurchgangs in Pyeongchang 2018 hinterliess beim Toggenburger im ersten Moment nur Wut und einen immensen Frust. Ein olympisches Diplom, geschweige denn eine Medaille konnte er vergessen. Es blieben die verletzte Schulter, Schnittwunden am Knie und eine Gehirn-
erschütterung.

«Im zweiten Moment war ich froh, dass ich mich nicht schwerwiegend verletzt hatte.»

Früher, 2012, brach er sich die Hand. 2014 erlitt er eine Brustwirbelfraktur. Noch hoffte der Teamleader, nach dem schweren Sturz bald wieder auf die Skier, zurück in die Pipe zu können, mit dem Fernziel olympische Spiele 2020 in Peking. 

Wann ist es des Guten zu viel?
An ein übliches Training war vorerst also nicht zu denken. Der Sportler kehrte zu seinem gelernten Beruf zurück, betätigte sich aber weiterhin polysportiv. Immer wieder aber plagten ihn Kopfschmerzen, nach einer Stunde Joggen verkrampfte sich der Nacken. 

Spezialisten konnten ihm nicht sagen, ob ein nochmaliger Sturz bleibende Schäden hinterlasse oder nicht. Ein Jahr verstrich. Ohne Druck seitens des Verbandes Swiss Ski oder von Sponsoren entschied sich Joel Gisler im Mai dieses Jahres für den Rücktritt vom Profisport: «Die Gesundheit geht vor.» Das
Risiko, mit möglichen Verletzungsfolgen leben zu müssen, wollte er nicht eingehen.

Vom Kamikaze zum Akrobaten
Gisler habe sich, so formulierte es einmal das «St. Galler Tagblatt», in den letzten Jahren vom «Kamikaze-Springer zum überlegten Akrobaten» entwickelt. «Ich war mental stark, ein sicherer Fahrer. Grosse Zweifel kannte ich nicht.» Doch sobald diese 100-prozentige Sicherheit fehle, könnten sich Fehler einschleichen. Gedanken über Verletzungen machte sich Gisler bis zum Sturz in Pyeong-chang kaum, auch wenn ihn der Wirbelbruch kurz aufrüttelte. 

Fitness und gesunde Ernährung
Das Jahr Bedenkzeit half ihm, Distanz zu bekommen, auch wenn er mit leichter Wehmut an die gute Stimmung im Team, die Wettbewerbe zurückdenkt. «Ich hatte eine gute Zeit. Doch ich schaue nach vorne, so wie ich es immer mache.» Und er geniesse es, ohne Ambitionen zu inlineskaten, Velo zu fahren und sich fit zu halten. Gisler hat nach wie vor Freude an der Bewegung und der Kraft.

«Ich bin nicht extrem, trinke auch mal ein Bier.»

Arnold Schwarzenegger macht ihm Eindruck. Es sei spannend, zu beobachten, wie sein Körper geformt werden könne, nachdem er zwei Wochen sportlich nichts getan habe. Es fasziniere ihn, wenn er einige Wochen keine Süssigkeiten zu sich nehme und sehe, was mit ihm passiere, wenn er Sport treibe, so Gisler. Es stelle sich ein gutes Gefühl ein. «Ich bin nicht extrem, trinke auch mal ein Bier. Doch ich achte häufiger auf eine gesunde Ernährung.» Die Gesundheit geht vor, seit August auch beruflich: Joel Gisler ist neu im Aussendienst für Pflegeprodukte der Firma Just tätig.

 

Text und Foto: Katharina Meier, Kirchenbote SG, September 2019

Unsere Empfehlungen

Kultur-Legi für fünf Franken

Für Inhaberinnen und Inhaber der Kultur-Legi St. Gallen-Appenzell kostet der Eintritt in die Museen ab dem 1. November fünf Franken. Auch die grösseren Museen in St. Gallen möchten ihren Beitrag leisten und wollen so allen Menschen die Teilhabe am kulturellen Angebot ermöglichen.

Endlich Uraufführung

Zwei Mal musste sie verschoben werden. Nun ist es endlich so weit: Am Reformationssonntag wird in der Laurenzenkirche in St. Gallen die Kantate «St. Galler Allerheiligen» uraufgeführt. In der Woche zuvor finden verschiedene konfessions- und religionsübergreifende Anlässe zum Thema «Heilige und ...

Es groovt schon bei den Proben

Internationale Stars treffen auf Singbegeisterte aus der Region. Das ist die Idee hinter dem Chormusical Martin Luther King. Am 5. und 6. November wird die Grossproduktion in den Olmahallen aufgeführt.

Von der Katakombe zur Kremation – neue Orte der Trauer

Familiengruft, Gemeinschaftsgrab, Ruhwald oder Urnenwand: Der letzte Weg führt auf den Friedhof. Doch mit der Technisierung, der Säkularisierung, der Individualisierung und dem Aufkommen von Krematorien entstanden neue Orte der Trauer. Sie widerspiegeln jeweils Denk- und Fühlweisen eines Zeitalters. ...