Die Kirche ist sehr reich!
«Innerhalb von drei Tagen erscheinst du mit allen Schätzen der Kirche vor meinem Thron!», verlangte der römische Kaiser Valerian vom Diakon Laurentius anno 258. Gehorsam, wie ein Kirchenmensch zu sein hat, trat dieser tatsächlich an.
Aber nicht allein – Obdachlose, Invalide, Blinde, Lepröse, Witwen und Waisen folgten ihm. «Das ist der Schatz der Kirche», erklärte er dem verblüfften Imperator. Der fand das gar nicht lustig und liess den Diakon auf einem Grill zu Tode rösten. Wobei dieser zwischendurch mal meinte: «Lasst mich umwenden, auf dieser Seite bin ich gebraten genug.»
Gott erwählt das, was nichts gilt
Diese Legende, die gewiss Spuren historischer Wahrheit enthält, erinnert an einen Satz des Paulus: «Das Geringe dieser Welt und das Verachtete hat Gott erwählt, das, was nichts gilt (1.Kor. 1,28).» Eine provokante Aussage. Sie disqualifiziert, was üblicherweise Anerkennung findet. Das erfordert ein Umdenken, eben ein Umwenden. Ob dies noch nötig ist, seit unsere Kirche nicht mehr auf dem Feuerrost brät, sondern eher im Whirlpool rumdümpelt? Ernsthaft: Uns von der Kirche stellt sich die Frage, was denn wirklich relevant sei. Die sozialen Leistungen finden heute Anerkennung. Das ist gut, und es ist richtig, die Kirche daran zu messen, ob sie für die Ausgegrenzten ein Daheim ist, für die Flüchtenden eine Zuflucht, für die Einsamen eine Familie, für die Kranken eine Heilquelle und für die Trauernden ein Trost. Nur wird in solchen Diskussionen oft übersehen, dass es da noch einen Mehrwert gibt.
Relevanz beginnt im Gottesdienst
Denn die Kirche ist gleichzeitig der Ort, wo Inspiration und Energie überhaupt entstehen, ein Daheim, eine Zuflucht, eine Familie, eine Heilquelle und ein Trost zu sein. Es wird übersehen, dass hier der Bezug hergestellt wird zur Urmotivation, zu Jesus Christus. Die einen bezeichnen diesen Bezug als Spiritualität, die andern als Glauben oder wie auch immer. Die einen erfahren diesen Bezug im Gebet und in der Bibel, andere in Musik und Gesang, noch andere in der Predigt. Die meisten jedoch in einer Kombination dieser verschiedenen Elemente. Diese Kombination bezeichnen wir als «Gottesdienst».
Natürlich töne ich damit erschreckend konventionell. Das nehme ich in Kauf und sage es laut und deutlich: In allem, was die Kirche an Sichtbarem leistet und leisten muss, wenn sie glaubwürdig sein will … Die Relevanz der Kirche beginnt im Gottesdienst.
Text: Rolf Kühni, Pfarrer, Sargans | Foto: meka – Kirchenbote SG, April 2019
Die Kirche ist sehr reich!