Die Pionierkirche – zentral und anders

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25.03.2019
Am 30. April feiert die Offene Kirche Elisabethen ihr 25-jähriges Bestehen. Sie war die erste City Kirche in der Schweiz. Heute ist die einstige Pionierkirche ein vielbesuchtes religiöses und kulturelles Zentrum, das gerade Kirchenferne anzieht.

Eigentlich ist die vom Mäzen Christoph Merian gestiftete Elisabethenkirche schon über 150 Jahre alt, aber offen für alle ist sie erst seit 25 Jahren. Als die Offene Kirche Elisabethen OKE 1994 unter dem damaligen Pfarrer Felix Felix ihren Betrieb aufnahm, war sie die erste ihrer Art in Kontinentaleuropa.

Zweimal erfunden
Die Vorgeschichte ist speziell, weil diese Art von Kirche unabhängig voneinander gleich zweimal erfunden wurde. Hansruedi Felix, inzwischen seit 17 Jahren Pfarrer an der Kirche St. Laurenzen in St. Gallen, war Ende der 1980er-Jahre in der Region Basel unter dem Namen H. R. Felix Felix bekannt. Eines Morgens ereilte ihn auf dem Fahrrad eine Vision, wie eine Kirche für unterschiedlichste Menschen und Kulturen aussehen könnte. Zu Hause angekommen, setzte er sich sofort an die Schreibmaschine und tippte unter dem Titel «Projekt Offene Kirche» ein achtseitiges Konzept. «Die Kirche sollte ein Lebensraum werden für viele Menschen und Kulturen, ein Alltagsraum, ein Biotop», erinnert sich Hansruedi Felix. Das Konzept schickte er dem damaligen Kirchenratspräsidenten Theo Schubert.

Birmingham und Basel
Bald darauf flog Felix für einen zweimonatigen Sprachaufenthalt nach Birmingham. «Als ich da erzählte, was ich im Idealfall in Basel umsetzen wollte, sagte mir eine junge Frau, dass es so etwas bereits in London gebe», berichtet Hansruedi Felix. In der Kirche St. James Piccadilly hatte vor fünf Jahren der anglikanische Priester Donald Reeves ein «Center for health and healing» eingerichtet. Jeweils am Montagabend machte das Center Angebote, die irgendwo zwischen Christentum, Religion und New Age anzusiedeln waren. Konzerte ergänzten das Programm. «Ich glaubte, ich hätte das Rad erfunden, um dann festzustellen, dass es sich in einem anderen Teil der Erde schon dreht», resümiert Hansruedi Felix.

Die verschiedensten Menschen nutzten St. James, Banker aus der Umgebung, Menschen aus der Unterschicht, Künstlerinnen und Künstler, Musiker, Heilerinnen und Heiler. Es gab ein Café und einen spirituellen Kräutergarten. Die Kirche bot Zeiten des Gebets an, aber auch Yoga und Zen. Zurück in Basel hängte Felix seinem Projektpapier noch eine weitere Seite an: Das Wochenprogramm von St. James Piccadilly.

Über Konfessionen hinweg
Nach einer Studienreise nach Holland, auf der Felix in Utrecht, Rotterdam und Amsterdam Projekte der Umnutzung von Kirchen und christliche Kommunitäten besuchte, fragte ihn Theo Schubert, ob er sein «Projekt Offene Kirche» in der Elisabethenkirche realisieren wolle. Dort suche man nach der Renovation eine neue Nutzung. 1994 war die Offene Kirche Elisabethen geboren. Im ersten Flyer stand auf der Titelseite: «Elisabethen – Ereignisort im Basler Zentrum – vielfältig, offen, belebt über Grenzen und Konfessionen hinweg».

Heute allgemein akzeptiert
Nach dem Weggang des Aargauers Hansruedi Felix im Jahr 2002 übernahmen der Zürcher André Feuz und nach ihm der Baselbieter Frank Lorenz das Szepter. Die katholischen Theologen und Theologinnen Peter Lack, Eva Südbeck-Baur und Monika Hungerbühler unterstützen als Co-Leitende die reformierten Männer. Inzwischen ist die OKE wie ihre Nachahmerinnen in Zürich, Bern, St. Gallen, Zug und Olten allgemein akzeptiert. Sie entwickelte sich zu einem Ort für Kirchenferne, Suchende, Engagierte und politisch Aktive. Jährlich besuchen rund 100 000 Personen die Basler Stadtkirche. Im Jubiläumsjahr könnte diese Zahl noch steigen.

Nur selten macht die OKE mit einem Skandal auf sich aufmerksam. Haftete früher den Gottesdiensten der lesbisch-schwulen Basiskirche noch etwas Spezielles oder gar Ruchloses an, läuft heute der Betrieb weitgehend diskussions- und reibungslos. Die Zeiten sind vorbei, als Segnungen von Tieren oder Motorrädern, Heilungsgottesdienste, Tanzpartys oder die Ausstellung buddhistischer Reliquien die öffentlichen Gemüter erregten.

Über aktuelle Themen debattieren
Neben solchen Veranstaltungen hat sich die OKE mit der Reihe Basel im Gespräch BIG einen Namen gemacht. Mit aktuellen Themen wie «Welchen Islam braucht dieses Land?», «Sterbehilfe Ja oder Nein?» oder ganz aktuell «Klartext zur Integration» zieht die Gesprächsreihe regelmässig eine beachtliche Anzahl von Zuhörerinnen und Zuhörern an.

Trotz Offenheit verfolgt die OKE eine klare Linie: «Bei uns hat alles Platz, aber nichts, das rassistisch, sexistisch oder gegen die Menschenwürde ist», halten die beiden derzeitigen Co-Leitenden Monika Hungerbühler und Frank Lorenz fest.

Toni Schürmann, kirchenbote-online, 25. März 2019

Die Offene Kirche Elisabethen jubiliert von Freitag, 26. April, bis Samstag, 4. Mai, Programm

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