«Die Welt ist mir zu eng»

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18.11.2019
Anfang der 1980er-Jahre hat das Schweizer Fernsehen einen Bräker-Film in Krinau und Lichtensteig gedreht. Am 22. November läuft er in der Kirche Krinau.

Es ist ideale Zeit zum Heuen im Näppis: Der Vater «tänglet» die Sense, Ulrich holt das Gras ein. Die Erzählstimme erklingt dazu: «Mein Vaterland ist zwar kein Schlaraffenland, kein glückliches Arabien. Unser Toggenburg ist ein anmutiges zwölfstundenlanges Tal.» So beginnt der Film «Der arme Mann im Tockenburg», den das Schweizer Fernsehen zusammen mit dem Saarländischen Rundfunk Anfang der 1980er-Jahre produziert hat. Der 60minütige Film zeigt die Geschichte von Ulrich Bräker (1735-1798) an Schauplätzen seines Lebens: Im Näppis zwischen Wattwil und Ebnat-Kappel, im Krinauer Dreischlatt, später im Hochsteig bei Lichtensteig und mit Szenen im «Städtli». Zu sehen sind auch Laienschauspieler aus der Region, etwa wenn Ulrich den Weg von der Krinauer Egg hinunter zur Schule ins Dorf geht.

Ein sympathischer Aussenseiter
Der leider bereits 1999 verstorbene Schauspieler Daniel Plancherel hat als Ulrich Bräker die Hauptrolle in diesem dokumentarischen Spielfilm. Er zeigt einen sympa thischen Aussenseiter, der mit wirtschaftlichen und privaten Umständen und auch mit der zunehmed ablehnenden öffentlichen Meinung kämpft. Das Schreiben sichert ihm das Überleben: «Die Welt ist mir zu eng. Da schaff ich mir denn eine neue - im Kopf.» Die Anlage des Filmes ist einfach: Plancherel liest ausgewählte biographische Passagen aus den Tagebüchern von Bräker, dazu werden einordnende Kommentare geschnitten. Peter Wegelin, damaliger Kantonsbibliothekar, sagt über den werdenden Schriftsteller Bräker: «Das Schreiben ist für ihn zuerst eine Art beten. Später wird es zu einer ‚Seelenerkundung“, und schliesslich schreibt er auch für ein Publikum.»

Lebensbewältigung
Mit dem Schreiben bewältigt er aber auch sein Leben, stellt Armin Müller als damaliger Kurator des Toggenburger Musems fest. «Bräker hat damit seine persönliche Lage gerade auch in den politischen Umwälzungen gedanklich bewältigt.» Es ist denn auch der Bräker-Text, der dem Film den roten Faden gibt: Immer wieder über- rascht Bräkers eigentümliche Mischung von Witz, Selbstbeobachtung und träfen Alltagsschilderungen.

Musik von Andreas Vollenweider
Beispiel dafür ist etwa die Szene, als Bräker in der Stube seines Hauses sitzt und sich den Titel einer Shakespeare-Schrift auf der Zunge zergehen lässt: «Die Zäh- mung eines bösen Weibes.» Die Anspielung an die wenig glückliche Ehe von Bräker ist dabei überdeutlich. Die sanfte Filmmusik von Andreas Vollenweider mit Harfe und Flöte lenkt solche emotinalen Spitzen wieder in ruhige Bahnen. Mit dem Blick auf sein Innenleben bekennt Bräker am Schluss des Films: «Ich bin mir ein seltsames Rätsel. Alle meine Tage habe ich mit heftigen Leidenschaften gekämpft.» Die Kirchgemeinde Mittleres Toggenburg zeigt den Film im Rahmen des Erwachsenenbildungsprogramms. Dafür hat sie die Rechte vom Schweizer Fernsehen für eine ein- malige Aufführung erworben.

Filmvorführung: Freitag, 22. November, Kirche Krinau, 20 Uhr, Film «Der arme Mann im Tockenburg», Eintritt frei, Filmdauer: 60 Minuten, anschliessend Getränke und Möglichkeit zum Austausch

 

Text und Foto: zVg – Kirchenbote SG, 18. November 2019

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