«Die Zeitung schlage ich schon noch auf»
Vera Schelling besucht die zweite Stufe der Kantonsschule Heerbrugg. Der Fernunterricht ist längst passé, alle tragen den ganzen Tag lang ihre Maske, «ausser manchmal in der grossen Pause, solange, bis ein Lehrer kommt und das Gespräch unterbricht» – das meist von allem Möglichen handle, nur nicht von der Pandemie. Sie selber möge auch nicht ständig darüber nachdenken, sonst werde sie nur daran erinnert, was es für sie jetzt, mit sechzehn, alles zu entdecken und zu erleben gäbe, wenn nicht …
Mit der Situation umgehen
Manchmal müsse sie schon mit dem Frust kämpfen, gibt Schelling unumwunden zu. Dann braucht sie jemanden, der ihr sagt, «dass es einfach nichts bringt, hässig zu sein», schon gar nicht über Massnahmen, deren Notwendigkeit sie eigentlich gar nicht in Frage stellt. Schelling ist informiert; sie liest Zeitung, tauscht sich auch einmal mit Gleichaltrigen oder mit den Eltern aus. Die seien es, die jeweils die neusten Beschlüsse einer Pressekonferenz an sie weitergäben, sie selber interessiere sich eher für die Hintergründe, Artikel etwa, welche die psychologischen Folgen der ganzen Sache beleuchten. Hört man da vielleicht schon einen Berufswunsch heraus? Sie lacht. Ja, ein Medizin- oder Psychologiestudium könne sie sich gut vorstellen. Vorerst aber bleibt sie konzentriert auf das Jetzt, und das heisst seit einem Jahr vor allem: Freunde und Familie.
Vertiefte Beziehungen
Volle zwei Monate sah sie ihre Kolleginnen und Kollegen nur virtuell, damals im ersten Lockdown. Inzwischen trifft sich der enge Freundeskreis wieder richtig, aber natürlich sehnen sich alle danach, wieder einmal in der grossen Gruppe zu feiern, an Konzerte zu gehen, grössere Anlässe zu besuchen. «Gerade die Fasnacht war für uns immer ein Riesending, wir haben jeweils gemeinsam die Kostüme geplant!» Dafür haben Schelling und ihre Freundinnen nun etwas anderes zum Planen gefunden, Zeltferien in der Schweiz nämlich. Was vor einem Jahr noch als Notfallplan herhielt, da alle ihre individuellen Vorhaben absagen mussten, wurde unverhofft so grossartig, dass es unbedingt wiederholt werden soll.
Neue Seiten kennengelernt
Die Sommerferien 2021 sind also Corona zu verdanken – und was noch? «Zu sehen, wie einsam meine Grosseltern im ersten Lockdown waren, hat mir klargemacht, wieviel einfacher es für uns als Familie gewesen ist. Wir hatten ja immer noch einander.» Gerade der zwei Jahre ältere Bruder sei ihr näher als früher. Ähnlich sei es ihr auch bei gewissen Freundschaften ergangen. «Von manchen Kolleginnen wusste ich davor nicht, wie es ist, wenn es ihnen nicht so gut geht.» Dank Corona habe man neue Seiten voneinander kennengelernt. Sie versuche bewusster, sich gegenseitig aufzufangen und füreinander da zu sein.
Text: Julia Sutter | Foto: zVg – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2021
«Die Zeitung schlage ich schon noch auf»