Die Zukunft des Schmuckstücks

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25.05.2022
Krinau ist seit der Reformation protestantisch geprägt und war die kleinste Kirchgemeinde des Kantons. Heute ist das Toggenburger Dorf fusioniert und erlebt wie andere Landgemeinden ein Bröckeln.

Das Toggenburg ist historisch eine der wenigen gemischt-konfessionellen Regionen der Schweiz. Das Nebeneinander war lange von Spannungen geprägt – diesen verdankt sich auch die Krinauer Kirche. Im Nachgang zum «Zwölferkrieg» im Jahr 1712 gab es laut einer zeitgenössischen Quelle ein «stetes giftiges Misstrauen» zwischen Katholiken und Reformierten. Weil die Krinauer zum Gottesdienst eineinhalb Stunden nach Bütschwil wandern mussten und sich dabei wegen drohender Überfälle mit Messern und Pistolen bewaffneten, wuchs das «sehnliche Verlangen» nach einer eigenen Kirche. Im Sommer 1723 begann der Bau, 1724 fand die Einweihung mit «feurigem Danke gegen Gott» statt. 

Das gallische Dorf

Daher steht man heute kurz vor dem 300-Jahr-Jubiläum. Nicht alles ist anders als damals. Aber vieles. Das Historische Lexikon der Schweiz schreibt über das Dorf im Seitental der Thur: «Es leidet unter Abwanderung.» Wesentliche Infrastrukturen sind verschwunden, von den Dorfläden bis zu Post und Bank. Die Schulgemeinde ist seit 2005 fusioniert, die Politische Gemeinde seit 2013. Die Kirchgemeinde, der über den Finanzausgleich eine 75-Prozent-Pfarrstelle zustand, wehrte sich zunächst.

 

Wegen drohender Überfälle bewaffneten sich die Krinauer auf dem Weg zum Gottesdienst mit Messern und Pistolen.

 

Die erste Abstimmung für eine Fusion im Jahr 2011 ergab ein Patt, in der Wiederholung lehnte sie eine deutliche Mehrheit ab. Das «Tagblatt» schrieb darauf über Krinau in Anlehnung an Asterix als «gallisches Dorf im Toggenburg». Und die Synode beschloss eine 1000er-Guillotine beim Finanzausgleich: Ausgleichsgelder bekommen nur noch Kirchgemeinden mit mindestens 1000 Mitgliedern. Darauf kam es zur Fusion: Seit 2016 gehören die rund 150 reformierten Krinauer mit Wattwil und Lichtensteig zum Mittleren Toggenburg.

Die Synode im Zelt

Verloren gegangene Kirchennähe und die Mobilität führen heute zu einer deutlichen Abnahme des einst reichen Kirchenlebens. Aktuell finden rund zwölf Gottesdienste jährlich statt. Gut besucht sind traditionelle Anlässe wie eine Auffahrtsfeier auf dem Bauernhof. Die epochale Veränderung wird aus Erinnerungen von Krinauern an die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts deutlich. Es gab kirchliche Seniorenferien, aus denen Fotoalben und Beziehungsgeflechte entstanden. Noch im Jahr 2003 präsentiert sich die Kirchgemeinde stolz als Gastgeberin des kantonalen Kirchenparlaments. «Das Erbe bewähren» steht prominent auf einem für die Synode geschaffenen Tischset. Sie tagte in einem für das Grubenfest aufgestellten Riesenzelt, einem volkstümlichen Anlass.

Das Kirchenleben war damit Teil von Dorfritualen. Solche Ereignisse sind heute die Ausnahme. So wie an einer Trauerfeier in diesem Jahr. Die Kirche ist mit über hundert Personen besetzt, viele Haushalte sind mit mindestens einer Person vertreten. Der erste Teil des Abschieds findet vor der Kirche statt. Alle stehen in einem grossen Halbkreis um den Urnentisch. Zehn Minuten bevor das Trauergeläut einsetzt, spricht niemand mehr. Es ist eine dichte Stille voller Kraft und Trauer, ein kollektives soziales Dorfritual.

Motivation aus der Vergangenheit

Was wünscht sich eine Krinauer Familienfrau heute von der Kirche? «Wichtig ist, dass Gottesdienste wie ein Weihnachtsspiel stattfinden, sodass Kinder einen natürlichen Bezug zu religiösen Themen bekommen.» Und was ist geplant für die 300-Jahr-Feier? «Das Jubiläum ist eine Rückbesinnung auf die gemeinschaftliche Leistung der Krinauer Einwohner vor 300 Jahren», sagt die in Krinau wohnhafte Kirchenvorsteherin Lisbeth Vogl. «Denn sie haben ein nachhaltiges Schmuckstück geschaffen. Ich hoffe auf einen kleinen Motivationsschub für die heutige Zeit.»

Text | Fotos: Daniel Klingenberg, Pfarrer Kirchgemeinde Mittleres Toggenburg, seit 2009 in Krinau – Kirchenbote SG, Juni-Juli 2022

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