Dietrich Bonhoeffers heikle Mission in der Schweiz

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06.04.2020
Am 9. April vor 75 Jahren wurde Dietrich Bonhoeffer von den Nazis hingerichtet. Der Theologe pflegte nicht nur intensive Kontakte zu Pfarrern in der Schweiz, er war hierzulande auch als geheimer Informant der Auslandsabwehr der Wehrmacht tätig.

In der Schweiz gibt es keinen Ort, der an die Zeit von Dietrich Bonhoeffer hierzulande erinnert, auch keine Gedenktafeln. Historiker sind zudem erstaunt, dass im Schweizer Bundesarchiv über ihn keine Akte zu finden ist. Das ist umso erstaunlicher, da Bonhoeffer gleich mehrfach die Schweiz aufsuchte. 

Enge Kontakte zu reformierten Pfarrern
Hans Rudolf Fuhrer, Militärhistoriker aus Meilen, ist ein profunder Bonhoeffer-Kenner. Er weiss: Der deutsche NS-Widerstandskämpfer pflegte bei seinen drei Reisen in die Schweiz, die meist über mehrere Wochen verliefen, intensive Kontakte zu reformierten Theologen. Da war zum einen der Pfarrer Erwin Sutz, sein Freund aus der amerikanischen Studienzeit. Da waren die Basler Theologen Alphonse Koechlin, bei dem Bonhoeffer mehrmals zu Gast im Pfarrhaus neben der Basler Martinskirche war, sowie Eduard Thurneysen, Wilhelm Vischer und Walter Lüthi der Genfer Kreis des Ökumenischen Rats der Kirchen um Willem Visser ‘t Hooft. 

«Mit all diesen Pfarrern stand er in intensivem theologischem Austausch», sagt der Zürcher Militärhistoriker. Abgeschottet in Deutschland, habe er die Debatten mit den Führern des Schweizer Protestantismus und der ökumenischen Bewegung in Pfarrhäusern oder an Tagungen in der Schweiz besonders geschätzt. Die Schweizer wiederum liessen sich von Bonhoeffers Zivilcourage und Widerstand gegen das Nazi-Regime ermutigen und engagierten sich für Flüchtlinge. 

Eine besondere Beziehung pflegte Dietrich Bonhoeffer auch zu Karl Barth. Ihn traf er gleich bei seiner ersten Schweizreise im Februar 1941 in Genf. Hans Rudolf Fuhrer weiss aus seinen Recherchen: «Bonhoeffer war oft im Bergli in Kilchberg zu Gast, im kleinen Landhäuschen der Familie Pestalozzi. Diese lernte er über Karl Barth kennen», erzählt Fuhrer.

Als V-Mann in der Schweiz
Dietrich Bonhoeffer war eine prägende Persönlichkeit mit vielen Facetten. Er suchte in der Schweiz nicht nur den theologischen Diskurs. Er war auch in geheimer Mission unterwegs, mit dem Namen «Unternehmen Sieben» (U7). Hans von Dohnanyi und Friedrich Justus Perels, zwei Juristen und Widerstandskämpfer gegen den Nationalsozialismus, fassten im Herbst 1941 den Entschluss, der Jüdin Charlotte Friedenthal die Flucht in die Schweiz zu ermöglichen. Dietrich Bonhoeffer, so Hans Rudolf Fuhrer, habe mit Karl Barth und Alphons Koechlin, dem Präsidenten des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, beim Chef der Fremdenpolizei, Heinrich Rothmund, um ein Einreisevisum für sie gebeten. 14 Personen, darunter Friedenthal, konnten im Herbst 1942 in die Schweiz flüchten. 

Hans von Dohnanyi habe Dietrich Bonhoeffer als V-Mann in der Spionageabteilung eingebaut, um ihn so vor der Gestapo zu schützen, so Hans Rudolf Fuhrer. Bonhoeffer sollte in der Schweiz in geheimer Mission über seine Kontakte zum Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf Verbindungen zu den Alliierten knüpfen.

Riskanter Einsatz
Seine Tätigkeit als V-Mann weckte nicht nur im Reichssicherheitshauptamt in Berlin Argwohn, erklärt Hans Rudolf Fuhrer. Auch Hans Bernd Gisevius, Landesvertreter der Spionageabteilung Ausland in Zürich, habe Bonhoeffers Aufenthalte in der Schweiz mit Misstrauen verfolgt. Bonhoeffers Aufenthalte in der Schweiz waren hochriskant. Vor allem die Transaktion von Geld in die Schweiz, die den geflüchteten Juden hier den Lebensunterhalt sichern sollte. Für die Retter der 14 Personen ging das Unternehmen schief. «Der Geldtransfer durch Dohnanyi in die Schweiz wurde von Bonhoeffers Führungsoffizier Wilhelm Schmidhuber in München im Verhör verraten», erläutert Hans Rudolf Fuhrer. Am 5. April 1943 wurden Bonhoeffer und Dohnanyi verhaftet. Auf Hitlers Befehl wurde der evangelische Theologe am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg hingerichtet.

Bonhoeffer bleibt zeitlos aktuell
Etliche Mitglieder der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft leben in der Schweiz. Ihr Höhepunkt war der grosse XII. Internationale Bonhoeffer-Kongress 2016 in Basel. Für Christiane Tietz, bis 2018 Vorsitzende der deutschsprachigen Sektion der Internationalen Bonhoeffer-Gesellschaft, bleibt Bonhoeffer zeitlos aktuell. Sie selbst erlebe ein Interesse an Bonhoeffer in allen Generationen von Schweizerinnen und Schweizern. Christiane Tietz: «Ich glaube, dass er durch seine einprägsamen Texte, seine ernsthafte Theologie, aber auch durch sein verantwortungsvolles Leben für viele Menschen in der Schweiz ein sehr anschlussfähiger Theologe ist.»

Vera Rüttimann, kirchenbote-online, 6. April 2020

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