Ehe für alle: Pro

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24.08.2021
Liebe sei Liebe, unabhängig von der sexuellen Orientierung, sagt Kathrin Bolt. Für die reformierte Pfarrerin in Straubenzell ist die Bibel wertvoll, aber in manchen Belangen veraltet.

Ich soll einen Artikel schreiben pro Ehe für alle. Ich zögere. Nein, nicht weil ich unsicher bin, ob Ehe für alle richtig oder falsch ist. Sondern weil ich mich frage: Müssen wir darüber ernsthaft noch diskutieren? Ist es nicht eine Selbstverständlichkeit, dass jegliche Paare, egal wie alt, wie hübsch, wie intelligent und wie geschlechtlich, zusammenleben und – wenn sie das möchten – heiraten dürfen? 

«Aber in der Bibel steht doch, dass Mann und Frau zusammengehören und dass der Bund fürs Leben ein Geschenk Gottes ist, aus dem im besten Fall Kinder wachsen.» Wirklich? Mag sein. In der Bibel steht aber auch, dass der Mann das Oberhaupt der Frau ist und dass die Frau in der Gemeinde schweigen soll und sich die Haare nicht kurz schneiden darf (1Kor 11,2-6). Ich bin eine Frau. Pfarrerin. Mit kurzen Haaren. Und lebe mit einem Mann gleichberechtigt zusammen. Und jetzt? Nehme ich die Bibel zu wenig ernst? Bin ich auf dem falschen Weg?

 

Der Segen einer Partnerschaft hängt nicht von der Zusammensetzung des Geschlechts ab.

 

Die Bibel ist mir heilig. Sie ist ein Schatz aus Geschichten und Erfahrungen. Sie inspiriert mich, und ich habe grossen Respekt vor diesem Buch, weil es schon so lange auf der Welt ist und so viele Menschen begleitet (hat). Sie inspiriert mich – aber nicht nur. Sie bringt mich auch zum Lachen und Nachdenken und manchmal muss ich einfach nur den Kopf schütteln. Zum Beispiel, wenn ich im Buch der Sprüche lese: «Wie ein Ring im Rüssel einer Sau ist eine Frau, die schön, aber nicht tüchtig ist.» (Spr 11,22)

Ein wertvolles, aber altes Buch

An vielen Stellen wird sichtbar, dass die Bibel nicht nur ein wertvolles, sondern auch ein altes Buch ist. Die Geschichten stammen aus anderen Zeiten. Mit den Menschen von damals verbinden uns viele Themen. Noch immer beschäftigen uns Leben und Tod und die Frage, wie wir unser Zusammenleben sinnvoll gestalten können. Doch was uns unterscheidet von Jesus und seinen Jüngern und Jüngerinnen, sind 2000 Jahre Lebenserfahrung. Bei den Büchern des Ersten Testaments sind es noch einige Hundert mehr. Tausende von Jahren, in denen Menschen in unterschiedlichen Beziehungen zusammenlebten. Teilweise unter völlig anderen Bedingungen als wir heute. Und immer schon gab es Frauen, die sich zu Frauen hingezogen fühlten, und Männer, die sich zu Männern hingezogen fühlten. Das ist Realität. Und erst noch eine wunderbare! So vielfältig hat Gott die Welt geschaffen, dass es Millionen von Baumsorten, Insektenarten, Pflanzen, Klängen und Düften gibt. Und ja, es gibt auch Millionen von Menschen. Nicht einfach Frauen und Männer. Nicht einfach Schwarze und Weisse, Reiche und Arme. Menschen sind und lieben unterschiedlich. Homo, hetero, bi, queer, trans, polyamourös … So manches an Lebensformen, Lust und Wünschen ist vielleicht noch gar nicht entdeckt worden. 

Was die Bibel zur Liebe meint

Als Pfarrerin habe ich die schöne Aufgabe, Menschen in ihren besonderen Lebenslagen zu begleiten. Um den Segen zu bitten für ihren tiefen Wunsch, ein mit Liebe erfülltes Leben zu leben. Immer wieder bin ich gerührt, wenn zwei Personen einander vor Gott und ihren Liebsten versprechen, füreinander da zu sein, aufeinander Achtzugeben und sich zu lieben und zu ehren, so gut sie es vermögen. Ob und wie dies gelingt, kann ich nicht beeinflussen. Doch der Segen einer Partnerschaft hängt gewiss nicht von der Zusammensetzung des Geschlechts ab, sondern von der Frage, wie diese Liebe gelebt wird. Ob die Verbindung auf Augenhöhe, freiwillig und zum Wohle beider eingegangen worden ist. «Denn Gott ist die Liebe. Und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott. Und Gott in ihm oder in ihr.» (1Joh 4,16b) 

Ich bin stolz darauf, dass die St. Galler Kantonalkirche seit mehr als 20 Jahren die Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ermöglicht und befürwortet. Und ich freue mich, wenn diese wichtige Gleichstellung auch auf zivilrechtlicher Ebene eingeführt wird.

Text: Kathrin Bolt, Pfarrerin, St. Gallen Straubenzell | Foto: zVg – Kirchenbote SG, September 2021

Hier geht es zum Kontra-Beitrag von Pfarrer Lukas Zünd (Bäretswil ZH).

 

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