«Ein Galerist der Wortbilder»

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25.10.2017
Der Schweizer Predigtpreis geht zum zweiten Mal nach Basel, an Philipp Roth. Der Pfarrer in der Kirchgemeinde Kleinbasel über das Geheimnis einer guten Predigt.

«Quer denken, frei handeln, neu glauben» – unter diesem Motto des Reformationsjubiläums verleiht der Schweizerische Evangelische Kirchenbund SEK zum zweiten Mal den Schweizer Predigtpreis. Nachdem 2014 die Basler Münsterpfarrerin Caroline Schröder Field den Preis gewann, kommt dieses Mal Philipp Roth, Pfarrer der Kirchgemeinde Kleinbasel, zum Zug.

Laut Jury erzählt Roth «einfühlsam und packend das tragische Schicksal des Kriegshelden Jiphtach und seiner einzigen Tochter (s. Infobox). Aus der Erzählung erwachsen grundsätzliche Gedanken zum Gottesbild», urteilt das Gremium. Weitere Preisträger sind Alessandro Esposito (Waldenserkirche, Italien) und Erich Häring (katholischer Theologe, Thurgau), der den Spezialpreis erhielt. Eine konfessionelle Einschränkung gab es bei der zweiten Austragung nicht. Von den 172 eingereichten Predigten stammten rund 30 von katholischen Seelsorgenden.

Im Sabbatical ĂĽberrascht
Der Preisträger Philipp Roth hat von seinem Glück in Chicago erfahren, wo er bis im Dezember ein Sabbatical geniesst. In seinem für die Auszeit erstellten Blog schreibt er, nachdem er zuvor die verschiedenen Nobelpreisernennungen zur Kenntnis genommen hat: «Nun gehöre ich auch zu den Preisträgern. Der Schweizer Predigtpreis ist zwar kein Nobelpreis, aber nobel ist er schon ein bisschen.» Er freue sich, sei berührt und «auf schweizerisch ‚verschwurbelte’ Weise auch stolz». Er habe indes nur seine Arbeit getan. Eine Arbeit, die stets «Herzstück und pièce de résistance meiner Arbeit, Lust und Last war», so Roth. Er mache es sich nicht leicht, Predigten zu schreiben. Der Preis bestätige ihn nun in diesem Tun.

Die ausgezeichnete Predigt sei «eine Gelegenheitsarbeit wie jede Predigt», erklärt Roth. «An einen Wettbewerb habe ich nie gedacht.» So hat nicht er selber die Predigt ausgesucht und beim SEK eingereicht, sondern ein Mitglied seiner Gemeinde. Der Predigtfan wird den Preis auch abholen, für «mich und die Gemeinde», verrät Roth.

Der Pfarrer hat die Predigt für einen Gottesdienst in den Herbstferien verfasst. Er habe sich entschieden, von einem biblischen Kriminalfall zu erzählen, denn «der Unterhaltungswert ist ein wichtiges Kriterium der Predigt». Die Geschichte erzähle die Tragödie von Jiphtach und seiner Tochter und nehme Bezug auf Themen wie Gottesbild und Patriarchat, Glaube und Opfer, Unterdrückung und Gewalt. «Das geschieht narrativ und assoziativ, eher fragend als deklamierend.»

Freude und Lust am Erzählen
Der Kleinbasler Pfarrer versteht sich eher als Erzähler denn als Ausleger. Er verlängere und transportiere keine biblischen Botschaften in unsere Zeit. «Ich sehe mich eher als Bäcker oder Galerist. Ich menge biblische Gedanken und Geschichten unter gegenwärtiges Lebens- und Zeitgeschehen und verfolge, was passiert.» Dies tue er zuerst bei sich selbst, im Hinblick auf ein Gegenüber, denn Predigen sei zutiefst dialogisch, sagt Roth. Ohne dieses Gegenüber, die Gemeinde, würde er verstummen.

In Anbetracht des Reformationsjubiläums scheint Philipp Roth der passende Preisträger zu sein. «Ich entwerfe biblisch inspirierte Bilder», sagt er. Er tue dies nicht in Form von Wandgemälden oder von Glasmalerei, sondern nach reformatorischer Tradition in Predigtworten. «Ich lade die Gemeinde ein, die Bilder zu betrachten und zu meditieren, wissend, dass Kunst im Auge des Betrachtenden entsteht, jenseits meiner Kontrolle.» Seine Lust am Geschichtenerzählen zeigt sich auch in seinem Hörbuch «Der Soli, das Deo und die Gloria», das kürzlich erschienen ist. Philipp Roth erzählt darin Kindern auf packende Weise eine Geschichte zum Leben und Werk des Komponisten Johann Sebastian Bach.

Und warum geht der Preis wiederum nach Basel? Gibt es in der Stadt mehr talentierte Prediger als anderswo? «Ich glaube, es ist einfach Zufall», sagt die erste Preisträgerin Caroline Schröder Field. Die Basler Münsterpfarrerin war dieses Mal Mitglied der Jury. «Die Predigten waren anonymisiert», erklärt sie. Doch sie habe sich sehr gefreut, als sie den Namen des Preisträgers erfuhr.

Franz Osswald, kirchenbote-online, 25. Oktober 2017

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