«Ein schönes Zeichen für die Einheit»

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03.04.2017
Über 500 Menschen waren am Samstag in Zug versammelt, um dort unter dem Motto «Gemeinsam zur Mitte» gleichzeitig 600 Jahre Niklaus von Flüe und 500 Jahre Reformation zu feiern. Höhepunkt der ökumenischen Veranstaltung war das gemeinsam vorgetragene Schuldbekenntnis.

War es das tolle Wetter? Die Vorträge, Filme, Vorführungen? Die Kappeler Milchsuppe, das Zwingli-Bier und der Apéro riche der Zuger Bäuerinnen? Auf alle Fälle sah man am Samstag nach Ende der Feierlichkeiten nur zufriedene Gesichter. Und einer strahlte besonders: Fritz Gloor, früher reformierter Obwaldner Pfarrer, Urheber dieses sehr speziellen und sehr schweizerischen ökumenischen Feier-Tages. «Ohne mich hätte es das gar nicht gegeben», sagte er nachher, immer noch staunend.

600 Jahre Niklaus von Flüe und 500 Jahre Reformation zusammen zu feiern, das habe sich einfach ergeben, so Gloor. Sowohl der Verein «Mehr Ranft», der Anlässe zum Bruder-Klaus-Jubiläum organisiert, als auch der mit dem Reformationsjubiläum beschäftigte Schweizerische Evangelische Kirchenbund (SEK) hätten den Wunsch nach einem ökumenischen Anlass geäussert. Und da habe er diese Idee ins Spiel gebracht, die nach anfänglicher Skepsis die Zustimmung aller Beteiligten fand. Die Kosten in der Höhe von rund 80‘000 Franken teilen sich der SEK und die Römisch-Katholische Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ).

Zeichen der Einheit
«Dieser Tag ist ein sehr schönes Zeichen für die Einheit des Christentums in der Schweiz», meinte dazu SEK-Ratspräsident Gottfried Locher. «Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass so etwas stattfinden kann. Wir wollen uns darüber freuen, was uns verbindet, und darüber reden, was uns trennt.»

Der Ansicht waren wohl auch die über 500 Besucherinnen und Besucher, die sich nach Zug begeben hatten. Viele kamen aus der Innerschweiz, die mit ganzen Carladungen präsent war. Aber auch aus anderen Teilen der Eidgenossenschaft hatten sich interkonfessionelle Kirchenprominenz und interessierte Kirchenmitglieder eingefunden, um diesen Tag zu begehen.

Mit so grossem Andrang hatten die Veranstalter zunächst gar nicht gerechnet. Als die Zahl der Anmeldungen aber stetig stieg, wurde eine Videoleitung von der viel zu kleinen reformierten Kirche in den Gemeindesaal organisiert. Auch hier fand man allerdings zeitweise nur mit Glück einen Sitzplatz.

Der überkonfessionelle Einsiedler
Und was hat jetzt dieser katholische Heilige mit Zwingli oder Luther zu tun? «Katholisch» im konfessionellen Sinn sei er ja gerade nicht gewesen, tönte der Einwand vor allem von reformierter Seite. Schliesslich lebte er vor der Spaltung. Niklaus von Flüe sei eine «faszinierende Person, die jetzt auch von den Protestanten wieder entdeckt werde», sagte Locher. «Ein solcher Mensch darf nicht konfessionell vereinnahmt werden.»

Dazu passt, dass Bruder Klaus im 16. Jahrhundert von katholischer Seite wenig beachtet wurde, dafür umso mehr von den Reformierten: Hier war ein Laie, der radikal seinen Glauben lebte. Der zum Masshalten aufrief in einer Zeit, in der der Klerus vor allem durch Ausschweifung und zweifelhafte Moral auffiel. Für den die unmittelbare Gottesbeziehung untrennbar verbunden war mit der Sorge um das Gemeinwohl – das alles sprach den Reformatoren aus dem Herzen. Und so beriefen sich sowohl Huldrych Zwingli als auch Heinrich Bullinger auf Bruder Klaus, wenn sie gegen Söldnerwesen oder liturgischen Pomp wetterten.

In Zug konnte man dies und mehr dem Vortrag des Berner Historikers Josef Lang entnehmen. Und auch sonst wurde einiges geboten: Dicht gedrängt folgten die Veranstaltungen aufeinander, manches lief parallel, fast überall gab es Gedränge. «Meinen Gemeindemitgliedern wird es langsam zu viel», so der nachmittägliche Kommentar eines Innerschweizer Pfarrers.

«Wir entschuldigen uns»
Zum Abschlussgottesdienst waren sie dann aber alle da. Am Anfang stand eine Uraufführung: In der vom Komponisten Erwin Mattmann dirigierten Kantate «Gemeinsam zur Mitte» war eine virtuos vorgetragene Mischung aus Niklaus- und Lutherzitaten zu hören. Am bewegendsten aber war das gemeinsam von den Liturgen Gottfried Locher und Bischof Felix Gmür vorgetragene Schuldbekenntnis. Religionskriege und Ketzerverbrennung, getrennte Schulhäuser, Landsgemeinden und Liebende kamen darin vor. Und die Bitte um Vergebung. So sagte Gmür: «Ich bitte die Reformierten im Namen der katholischen Kirche um Entschuldigung für den Schmerz der ihnen durch die Kirche, insbesondere durch ihre Amtsträger zugefügt wurde». Locher äusserte eine entsprechende Entschuldigung an die Katholiken. Das Publikum klatschte frenetisch.

Erneuten Beifall gab es bei Lochers Votum in der Dialogpredigt mit Gmür: «Ich werde darauf hinwirken, dass wir einmal gemeinsam Abendmahl feiern können». Gmür betonte dagegen die Bedeutung von «Realismus» und «kleinen Schritten». Darauf Locher: «Wir können von euch den Blick auf das grosse Ganze lernen. Aber von uns Protestanten kann man lernen, dass etwas Ungeduld auch gut tut.»

Marianne Weymann / ref.ch / 3. April 2017

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

 

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