Eine Welt voller Wunder
Meine Fantasie macht Freudensprünge, wenn ich das eine oder andere Felsenbild sehe; nicht nur im Alpstein sondern auf der ganzen Welt. Theodor Heuss drückte es so aus: «Holz ist ein einsilbiges Wort, aber dahinter verbirgt sich eine Welt der Märchen und Wunder.» Das Wort Holz durch Stein ersetzt, bringt es auf den Punkt.
Mit Märchenaugen sehen
Ob dieses «andere Sehen» unsere Mama mit den Wolkenbildern förderte? Ich weiss es nicht. Jedenfalls lagen wir immer wieder im Gras, wenn es Wolken hatte, insbesondere während des Heuens. In den Pausen suchten wir Pflanzen, Tiere und Menschenbilder am Himmel. Das war eine willkommene Ablenkung. Zuhause an den alten Holzdecken und –wänden gab es verschiedene Köpfe zu sehen, welche Äste bildeten.
Was interessiert die Kröte?
Jedenfalls jedes Mal, wenn wir im Alpstein wandern gingen und über Appenzell fuhren, fragte ich mich, was die Kröte hier sieht. Mich erinnert der Hohe Kasten an einen Krötenkopf. Nur der Sendemast hat das schöne Bild etwas entwertet. Meine Fantasie aber entwickelte die wunderbarsten Geschichten, weshalb die Kröte so neugierig auf das Appenzellerland blicke. Würde sie einst über den Kamm klettern?
Entspannt schlafendes Kleinkind
Und dann war da noch das selig schlafende Baby. Ein kompaktes Steinmassiv, das bei näherer Betrachtung und Glück mit dem Tageslicht und der Sonneneinstrahlung wie ein Kopf mit Rücken und Popo aussieht. Entspannt, ganz friedlich schlummert es da. Ab und zu ist gar der Fuss zu sehen.
Alter, weiser Mann
Vor ein paar Jahren war ich im Winter nach einem Schneefall in Appenzell. Was ich da sah, fasziniert mich bis heute. Ein Dreieck in Stein, das Öhrli, zeigte sich wie ein alter, weiser Mann mit wallenden, langen Haaren. Der Schnee hatte die Steinformen entsprechend hervorgehoben. Ob es Ihnen auch gelingt, diesen wunderschönen Kopf zu sehen? Spannend ist ein Versuch auf jeden Fall. Mir gelang noch nie ein richtig gutes Foto von dieser Steinformation bei entsprechender Schneelage. Mal ist das Gesicht nur in Schemen zu erkennen, mal wieder etwas konkreter, aber nie so scharfrandig, dass ich es entsprechend festhalten konnte.
Ich konnte Weite spüren
Einmal sprach ich in einem Flughafen beim Warten mit meiner Sitznachbarin über Steine und deren Formen. Darauf gekommen waren wir wegen ihrer wunderbaren Steinkette, die mich förmlich anzog. Kurzentschlossen nahm sie diese ab und warf sie mir in meine Hand. «Was sehen Sie?», lautete ihre Frage. Ich war überwältigt von einer Weite, die mich erfüllte. Genau beschrieb ich ihr meine Fantasie und sie war entzückt. Ich hatte der Frau ihr Zuhause in Afrika beschrieben.
So kam es, dass ich oft Gegenstände aus Stein oder Bäume betaste und verweile. Sie erzählen mir meist wunderbare Geschichten. Ich liebe es, mit Steinen und Bäumen zu sprechen. Denn wie beschrieb es Viktor Blüthgen: «Wenn du Märchenaugen hast, ist die Welt voller Wunder!».
Eine Welt voller Wunder