Entwicklung einer Lernkultur

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01.10.2018
Die Kirche ist laufend Änderungen unterworfen. Dies verunsichert, bietet aber auch Chancen, wie Thomas Schaufelberger, Leiter Aus- und Weiterbildung der Pfarrerinnen und Pfarrer, aufzeigt.

Herr Schaufelberger, in welcher Situation befindet sich die Kirchenentwicklung heute?
Schaufelberger: Die Ausgangslage für eine Kirchenentwicklung ist heute sehr komplex. Man denke beispielsweise an den Mitgliederschwund der Kirchen, an den Relevanzverlust in der Gesellschaft, an Personalmangel, an das Bedürfnis nach gelebter Spiritualität und an die Segmentierung unserer Gesellschaft. Es gibt keine einfache Lösungen vom Schreibtisch aus.

Was braucht es für eine nachhaltige Entwicklung?
Entwicklung der Kirche ist an erster Stelle ein inhaltlicher Prozess. Es geht um unsere Inhalte, um unsere Theologie. Das bedingt eine ständige Reflexion, nicht nur individuell, sondern auch gemeinsam. Man darf hinhören und «offen sein für den Heiligen Geist». Innerhalb der Kirche gibt es unterschiedlichste Ansichten. Möchten wir die komplexen Herausforderungen gemeinsam angehen, dann geht das nur aus der neugierigen Begegnung heraus. Weiterentwicklung bedingt deshalb Lernräume mit verschiedenen Perspektiven, die nicht von oben herab diktiert, sondern von der Basis her entwickelt werden. Es soll eine Lernkultur gefördert werden, in der wir als Gemeinschaft voneinander lernen und vorwärtskommen (Community-Idee). 

Wie kann man sich das praktisch vorstellen?
«Mixed Economy» ist die Vision einer Kirche, worin ein gutes Gleichgewicht zwischen verschiedenen Ausprägungen besteht. Traditionelle Kirchenformen können von neuen Formen ergänzt werden, die um bestimmte Lebensstile, Gruppenmerkmale oder Themen herum entstehen. Beispiele solcher Projekte sind die «Metal Church» in Bern, die englischsprachige Kirche «All Souls» in St. Gallen oder das Diakonieprojekt «Coffee & Deeds» in Zürich.

Solche Prozesse gelingen wohl nicht immer auf Anhieb. Wie geht man damit um?
Eine «sich stetig reformierende Kirche» verändert sich naturgemäss. Veränderungen lösen Unsicherheiten aus. Das müssen wir aushalten, damit Neues entsteht. Einiges muss neu ausgehandelt werden – denken wir beispielsweise an die Verteilung der Ressourcen. Sowohl die traditionelle Seite als auch neue Formen müssen weiterentwickelt werden. Das gelingt nur mit einer ausgeprägten Fehlertoleranz und einer Kultur des Vertrauens.

Können diese Ansätze auch theologisch verankert werden?
Ein theologischer Ansatz zur Unterstützung dieser Entwicklung kann sein: «Wir trauen Gott zu, dass Er bereits in der Gesellschaft wirkt». Wir rechnen damit, dass Er bereits gegenwärtig ist in den unterschiedlichsten Ausdrucksformen der Menschen. Aus der Bibel lässt sich das vielseitig begründen. Gott handelt souverän in dieser Welt (z.B. Römer 9,20-21) und Er bereitet gute Dinge vor, damit wir sie tun (Epheser 2,8-10). Demut passt also in Anbetracht von Gottes Wirken. Darin liegt aber auch die Zuversicht für die Zukunft der Kirche.

 

Interview: Karsten Risseeuw | Foto: Andreas Ackermann  – Kirchenbote SG, Oktober 2018

 

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