Erster Sexshop für christliche Lust

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24.04.2019
Keine nackte Haut und keine Pornografie, dafür aber viele Produkte für den Gebrauch zu zweit: Vier junge Deutsche betreiben in Bielefeld «Deutschlands ersten Erotikshop mit christlichen Werten».

Betritt man die Firmenzentrale von «SchönerLieben» in einer ehemaligen Hinterhof-Werkstatt, wähnt man sich in einer Start-up-Bude: roher Betonboden, auf dem noch die Spuren des Vorbesitzers zu sehen sind, Sitzecke vom Flohmarkt und auf den Schreibtischen stehen neben Kaffeebechern moderne Computer. Nichts deutet darauf hin, dass hier Deutschlands «erster Online-Erotikshop mit christlichen Werten» zu Hause ist. Diskret vom Schreib- oder Küchentisch aus bestellt, laufen hier tagtäglich Bestellungen für Sexspielzeuge, Dildos und Co. ein.

Gegründet wurde das junge Unternehmen, das am Reformationstag 2017 online ging, von Wellington Estevo, Timon Rahn, Jonathan und Gerhard Peters. Die vier Männer sind um die 30 und wurden allesamt in mennonitischen Familien in einem freikirchlichen Umfeld gross. Für den Erotikshop warfen sie ihre Kompetenzen als Wirtschaftsingenieur, Grafik- und Mediengestalter und Projektplaner zusammen. «Am Anfang stand eine Silvesteridee», erinnert sich Estevo, der mit Rahn im Hauptberuf eine Kommunikationsagentur betreibt. «Wir haben uns von den gängigen Erotikshops nicht abgeholt gefühlt», so Estevo. Auch wenn es sich langsam wandele, hafte Erotikshops immer noch ein Schmuddelimage an. «Das wollten wir verändern.»

Natürliche Schönheit statt Künstlichkeit
So erinnert die Website in Design und Farben auch eher an einen Lifestyle-Blog. Für das Sortiment heisst das: keine Porno-Hefte, keine nackten Körper auf Verpackungen. Auch Reizwäsche suchen Kunden vergebens. Ein Leitspruch von «SchönerLieben» lautet «No Nudity» (zu deutsch: keine Nacktheit). Was stört die Christen an nackter Haut? «Gar nichts. Weder das Christentum noch wir haben etwas gegen nackte Haut», stellt Rahn klar. Der Verzicht dient einem anderen Grund: «Wenn wir zum Beispiel erotische Kleidung anbieten, brauchen wir für den Katalog Modelle. Als Grafiker fange ich dann unweigerlich bei der Bildbearbeitung an, die eine oder andere Stelle zu ‹polieren›, sprich ‹schöner› zu machen.» In der Pornoindustrie stehe das Künstliche, Geschminkte und Geschönte im Vordergrund. Die Natürlichkeit, das «Echte», um das es bei der Sexualität gehe, fehle. «Dieses Schönheitsideal wollen wir nicht mittragen», so Rahn. «Man vergleicht sich automatisch mit den Models und ist enttäuscht, wenn das Kleidungsstück dann real ganz anders aussieht. Dabei kann niemand gewinnen.»

An der Fachmesse belächelt
Als die Jungunternehmer 2017 das erste Mal als Einkäufer eine Fachmesse besuchten, wurden sie mit ihrem Konzept noch belächelt. «Mittlerweile nimmt man uns ernst», weiss Estevo. So widmete das Branchenblatt «Eline-Magazine» den Neulingen eine Doppelseite, mit dem Verweis auf «eine riesige Zielgruppe, die bislang jedoch nicht von der Erotikbranche angesprochen wird». Klickt man durch das Sortiment von «SchönerLieben», ähnelt es auf den ersten Blick dem eines herkömmlichen Sexshops. So finden sich auf der Website Kondome, Gleitgel und Paarvibratoren. Eindeutiger Schwerpunkt liegt jedoch auf Produkten für den «Spass zu zweit», wie Duft- und Massagekerzen, Pheromonparfums, Körperpuder und Federpuschel. Auch Literatur christlicher Paartherapeuten, etwa von der Schweizer Autorin Veronika Schmidt, ist im Angebot.

Sex in der Partnerschaft
Auf den zweiten Blick fällt allerdings auf, dass Produkte zu BDSM und Analsex fehlen. «Wir fällen damit kein Urteil, jeder und jede handelt eigenverantwortlich», erklärt Estevo. «Wir wollen unsere Zielgruppe aber nicht gleich zu Beginn überfordern», räumt er ein. Vorrangiges Ziel ihres Angebots sei es, den Sex in der Partnerschaft interessant und aufregend zu gestalten. Menschen ohne festen Partner oder in gleichgeschlechtlichen Beziehungen wollen die Shopbetreiber aber nicht ausschliessen.

Ein weiteres Anliegen der Gründer ist der achtsame Umgang mit Sprache. «Unsere Kunden können die Produkte nicht anfassen und müssen sich auf die Fotos und Beschreibungen verlassen», so Rahn. Darum soll die Sprache «klar» und «verständlich» sein, nicht «billig» oder «pornografisch». «90 Prozent der Produkttexte der Hersteller schreiben wir deshalb um.»

Gegen die Sprachlosigkeit
Vor dem Start betrieben die Jungunternehmer, die vom Shop allein noch nicht leben können, Marktforschung. Während aus dem Umfeld vor allem positive Resonanz kam, sparte die Amtskirche mit Feedback. «Offiziell wollten sich Vertreter von Frei- und Landeskirchen nicht dazu äussern», bedauert Peters. Gerade im freikirchlichen Umfeld sei Sex eine «Blackbox». «Vor der Ehe soll er nicht stattfinden und in der Ehe muss es dann funktionieren», sagt Estevo.

So nahmen viele junge Menschen die Lancierung des Shops dankbar zum Anlass, über Sex zu sprechen. Das stellte das Team auf Festivals fest, auf denen sie ihr Angebot präsentierten. Per Internet erreichen die Unternehmer auch Bitten um Lebenshilfe. «Das Thema ist für viele mit Scham verbunden und offenbar fehlen kompetente Ansprechpartner», sagt Estevo. «Wir antworten dann so gut wir können und vermitteln bei Bedarf auch an Beratungsstellen weiter. Es wäre schön, wenn sich eine tabufreie Gesprächskultur über Sexualität etablieren könnte», wünscht sich Estevo, schliesslich gehe es doch um etwas Natürliches: «Wie die Menschen erschuf Gott auch den Sex. Ginge es Gott nur um die reine Fortpflanzung, bräuchte der Sex keinen Spass zu machen. Warum sollte es also etwas Schlechtes sein, Freude daran zu haben?»

Annette Meyer zu Bargholz, kirchenbote-online, 24. April 2019

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