Es braucht eine Erklärungsregelung

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02.05.2022
Markus Zimmermann, Professor an der Theologischen Fakultät der Universität Fribourg und Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission, ist gegen die erweiterte Widerspruchslösung.

Gegen eine Widerspruchs- und für eine Erklärungsregelung sprechen insbesondere vier Punkte: die Klärung des Willens eines Verstorbenen, der Schutz von dessen Persönlichkeitsrechten, die Entlastung der Angehörigen sowie die öffentliche Sensibilisierung für die Thematik fehlender Spenderorgane.

Es mag vielleicht zutreffen, dass eine grosse Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer bereit ist, ihre Organe nach ihrem Tod zu spenden. In jedem Fall zuverlässiger ist dieser Befund, wenn eine Person diesen Willen schriftlich bekundet. In einer liberalen Gesellschaft sollte auch die Möglichkeit bestehen, eine A ntwort auf diese Frage zu verweigern, was bei einer Widerspruchsregelung unmöglich ist. Diese Klarheit in Bezug auf den Willen der spendenden Person ist nicht zuletzt auch für die empfangende Person nicht selten von grosser Bedeutung.

Mit Blick auf die Persönlichkeitsrechte ist zweitens für mich entscheidend, dass es bei der Organspende um einen altruistischen Akt geht: Der Spendecharakter sollte daher deutlich bleiben. Die Annahme, alle Menschen in der Schweiz seien grundsätzlich solidarisch miteinander, mag vielleicht stimmen, kann aber mit Blick auf den Eingriff in den Leichnam einer Person nicht eingefordert werden. Der Eingriff bedarf selbst bei einer Leiche einer starken Rechtfertigung, etwa die ausdrückliche persönliche Zustimmung.

Beim Einbezug der Angehörigen in die Entscheidung handelt es sich um den psychologisch gesehen heikelsten Punkt. Zwar bestehen in Spanien oder Österreich im Recht strikte Widerspruchsregelungen, diese werden aber nicht praktiziert, sie sind unrealistisch in der Umsetzung. Es bleibt also in der Praxis nur eine «erweiterte » Regelung möglich, bei der die Angehörigen mit einbezogen werden. Nun ist eine maximale Entlastung der Angehörigen zu wünschen, und sie besteht darin, dass sie wissen, was die verstorbene Person selbst in einer Erklärung ausdrücklich gewünscht hat.

Mit Blick auf die öffentliche Sensibilisierung schliesslich muss gefragt werden, wie eine Kampagne gelingen soll, die alle Einwohner der Schweiz erreicht; das dürfte kaum gelingen. Bei einer Widerspruchsregelung kann daher das Prinzip der grösstmöglichen Offenheit und Transparenz in Bezug auf das, was bei einer Explantation bzw. Transplantation geschieht, praktisch nicht gewährleistet werden. Eine Erklärungslösung hingegen würde die staatlichen Stellen motivieren, die nötigen Kampagnen tatsächlich zu realisieren.

Markus Zimmermann, kirchenbote-online

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