"Woher habe ich meinen Humor?"

Es fürchtet sich der Witz vor der Pointe

von Lars Syring
min
30.06.2023
Neulich kam meine Tochter von der Schule zurück und fragte mich: „Vati, woher hast Du eigentlich Deinen Humor?“ Ich musste einen Moment nachdenken. Von meinen Eltern habe ich ihn nicht. Die haben einen anderen. Der ist anders lustig.

Auch die meisten Menschen in meiner Pubertätsclique hatten einen anderen. Nach und nach dämmerte es mir dann. In der siebten Klasse hatte uns unser Deutschlehrer Herr Sures, ein ziemlich erfolgreicher Geräteturner, Geschichten von Roald Dahl vorgelesen. Nicht die Kindergeschichten, sondern die für Erwachsene. „Küsschen Küsschen“ hiess das Buch. Und dann, ganz vorsichtig im Untertitel, „11 ungewöhnliche Geschichten“. Das war der Geburtsmoment meines Humors. Ziemlich schwarz. Britisch. Absurd. Die britische Komikertruppe Monty Python und die Simpsons haben das Ihre dazu beigetragen. Das alles in einen Topf geschmissen und mit einer Jugend in der ostwestfälischen Provinz gemischt, gibt wohl den Nährboden für meinen Humor. Nicht sehr masskompatibel. Das ist so. Mir reicht es schon, wenn ich etwas lustig finde. Wenn jemand mitlachen möchte, spricht aus meiner Sicht nichts dagegen. Umso mehr freue ich mich natürlich, dass meine Kinder an den richtigen Stellen lachen. Sie verstehen mich. Ich habe sie, was Humor angeht, stärker geprägt als meine Eltern mich.

Humor ist eine heikle Sache.

Dass sie gelegentlich mit ihrem Humor anecken, wundert mich nicht. Das kommt mir bekannt vor. Jede:r hat das Recht, seltsam zu sein, auf die je eigene Art. Frank Spilker, Sänger der Hamburger Band "Die Sterne“, textete in den 90er Jahren: „Es fürchtet sich der Witz vor der Pointe, was mach ich nur, wenn wieder keiner lacht.“ Auch er kommt aus Ostwestfalen. Und er weiss, dass Humor eine heikle Sache ist. Und doch: Humor kann verfahrene Situationen durchbrechen und einen neuen Weg weisen. Er schenkt uns einen Moment der Distanz von uns selbst und allem allzu Gewichtigen. Einmal um die Ecke gedacht lässt er uns lächeln. Vielleicht sogar lachen. Mir ist wichtig, dass wir miteinander lachen, nicht übereinander. Humor kann aber auch die Sackgasse zementieren. So können einzelne Witze zwar scheitern, verpuffen, keine Resonanz auslösen. Humor als Haltung ist trotzdem eine gute Medizin gegen allen Trübsinn. So wie die Känguru-Geschichten von Marc-Uwe Kling zum Beispiel. Da fühle ich mich verstanden. Der Bezugsrahmen für unseren Humor scheint nahezu identisch zu sein. Das funktioniert bestens – und stimmt mich manchmal auch ziemlich nachdenklich. Weil mir das Lachen im Halse stecken bleibt.

Einmal um die Ecke gedacht lässt Humor uns lächeln.

Paulus nennt sich selbst einen „Narr um Christi Willen“. Er weiss, dass das, wofür er einsteht, ein mutiges Leben in Freiheit und Liebe, ein Leben im Dienste Gottes und der Menschen, von den meisten Zeitgenossen belächelt wird. Paulus nimmt in Kauf, lächerlich zu sein, sich lächerlich zu machen. Er verkörpert ein anderes Leben, hat ein anderes Bewusstsein. Daraus entsteht eine grundsätzlich andere Lebenseinstellung. Paulus weiss, dass alles hier auf Erden vorläufig ist, provisorisch. Und so kann er allen, die behaupten, dass etwas ganz unfassbar wichtig ist, den Spiegel vorhalten. „Nein. So richtig wichtig ist es nicht.“ Aber was ist dann wichtig? Es braucht eine gehörige Prise Humor, um dem wirklich Wichtigen auf die Spur zu kommen. Nicht im Sinne von Schenkel-klopf-Humor, sondern im Wissen um die Vorläufigkeit all unseres Denkens und Tuns. Wir sind nie fertig. Das muss ich auch erst mal aushalten können.

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