Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen
Sr. Delia Klingler stellt sich vor einer grossen Eiche, die auf dem weitläufigen Gelände der Kommunität des Diakonissenhauses Riehen steht. Die Schwestern wohnen in drei Häusern: Mutterhaus, Geistlich-diakonisches Zentrum und Feierabendhaus.
Sr. Delia Klingler hat im Klosterdorf viel zu tun: Mit einer Mitschwester ist sie zuständig für das Projekt «Kloster auf Zeit» und für das Projekt «Leben teilen für Frauen Anfang 20 bis 40». Zudem hat sie die Hauptleitung des Kinderlagers, das im Sommer auf diesem Gelände stattfindet
Fernbeziehung mit Gott
Die Wege, die Sr. Delia Klingler hierher führten, sind verschlungen: Der Glaube spielt schon früh in ihrem Leben eine grosse Rolle. Ihr Vater ist Pfarrer in Basadingen TG, wo die Kirche von Reformierten und Katholiken gemeinsam benutzt wird. «Es war eine prägende Erfahrung für mich, die ersten Jahre eine paritätisch genutzte Kirche zu erleben», sagt sie. Nach der Konfirmation pflegte sie «eine Art Fernbeziehung» mit Gott. «Doch ich spürte im Innersten, dass es noch mehr mit diesem Glauben auf sich hat.»
Sr. Delia Klingler studiert später Theologie in Basel und Durham, Grossbritannien, und promoviert zum Alten Testament an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. 2014 wird sie ordiniert. 2016 arbeitet sie in der reformierten Kirchgemeinde Fribourg.
Kein Widerspruch
2017 folgt sie dem Wunsch nach einem gemeinschaftlichen Leben und tritt in die Kommunität Diakonissenhaus Riehen ein. In der evangelischen Ordensgemeinschaft arbeitet und betet sie mit den 57 Schwestern zusammen. Zu ihrer Lebensform gehören Ehelosigkeit und Anspruchslosigkeit im Blick auf Güter. «Ich erlebe dies nicht hauptsächlich als Verzicht, sondern als ein frei sein für Gott.»
Diesen Weg sind viele Frauen gegangen, wie die Ausstellung «Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen» zeigt. Sr. Delia Klingler weist auf Schwester Trinette, die erste Oberin, und Schwester Agnes, die Novizin, die in der Ausstellung zu sehen sind.
Im Geiste Benedikts
Auf der Suche nach den geschichtlichen Wurzeln und der Identität der Gemeinschaft tritt Klingler vor ein grosses Bild in der Ausstellung: Ein Strang zeigt das Mönchtum, ein anderer den Pietismus. Wertvolle Impulse für das geistliche und gemeinschaftliche Leben kamen aus den Kontakten mit der Herrnhuter Brüdergemeine. «Klösterliches Leben und reformiert», dachte die junge Schwester erst, «das sind zwei verschiedene Kontinente». Im Alltag in der Kommunität lernte sie das anders kennen.
An der nächsten Wand stehen Zitate aus der Benediktsregel. «Die ist für uns als Gemeinschaft sehr wichtig», sagt Sr. Delia Klingler. Das Anliegen der Gründer-Generation, Gott und den Menschen nahe zu sein, berühre sie, zum Beispiel folgende Forderung: «Die Sorge für die Kranken muss vor und über allem stehen. Man soll ihnen so dienen, als wären sie wirklich Christus.»
Postmodernes Klosterdorf
Sr. Delia Klingler sieht in der Ausstellung Glauben, Leben und Wirken der Schwestern von der Pionierzeit bis heute. Wie diese im ersten Spital, im Mutterhaus, das 1871 eröffnet wurde, arbeiteten. Oder wie sie im damaligen Diakonissenkrankenhaus, dem heutigen Geistlich-diakonischen Zentrum, wirkten, das 1907 eröffnet wurde. Weiter zeigt Sr. Delia Klingler anhand von Fotos, wie die Gemeinschaft kleiner wird und sich in den 50er-Jahren erneut der Frage stellt: Was ist die Not der Zeit heute? Sr. Delia Klingler über die Nöte heute: «Viele suchen Orte der Stille und der Besinnung, wo ihre Glaubenssuche unterstützt wird.» Deshalb sei die Gästearbeit heute ein Schwerpunkt in diesem postmodernen Klosterdorf.
Zuletzt steht Sr. Delia Klingler vor einer Wand mit Fragen, die den Schwestern hier gestellt werden: «Wie hörst du Gott, wenn du betest?», «Bekommt ihr Lohn?» Und: «Muss man ständig die Tracht tragen?» Sr. Delia Klingler erzählt dazu: «Ich wurde einmal gefragt: Wann sind Sie denn normal angezogen? Ich antwortete: Ich bin normal gekleidet.»
Frauen mit einem abenteuerlichen Herzen