Geburtstag, Lämmer, Frühlingsputz

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26.11.2020
Esther Wehrle, Sigristin der Kirchgemeinde Weesen-Amden, will Begegnungen bewusster pflegen.

Was Corona wirklich bedeutet, wurde mir an meinem 62. Geburtstag bewusst. Es ist der 20. März. «Stell dir vor, du hast Geburtstag und kein Mensch darf vorbeikommen», dachte ich mir. Dann klingelte das Telefon. Ich hatte viel Zeit für lange, wunderbare Gespräche. Zudem gab es zahllose Glückwünsche per WhatsApp, alle mit guten Wünschen – samt Gesundheit. Ein wunderbarer Tag.

Ein paar Tage später trug Curdin, mein achtjähriger Enkel, mir zwei Lämmchen vor die Haustür, beide kaum zwei Kilo schwer. «Grosi, die Mutter will es nicht, und das zweite Mutterschaf hat für drei Lämmer zu wenig Milch», sagte er. Helvetia und Luisa brauchten also den Schoppen und unsere ganze Aufmerksamkeit. Schliesslich mussten wir sie wieder an die Herde gewöhnen. Zum Glück waren es wunderbare Frühlingstage. So sass ich mit einem Buch im Gras und beobachtete aus dem Augenwinkel, wie sich die Tiere beschnupperten – fast wie eine Mutter mit Kindern auf dem Spielplatz.

Mein Mann begann den Garten von «meinen» Blumen zu befreien und startete eine Anbauschlacht nach Friedrich Traugott Wahlens Vorbild. Als ob die Nahrungskette im Dorfladen versiegen und eine Lebensmittelknappheit eintreffen würde. Statt Tulpen und Vergissmeinnicht gab es Zwiebeln, Rüebli, Bohnen, Salat und viel Ruccola. Den ganzen Sommer assen wir von letzterem.

Mit einem kleinen Pensum bin ich Sigristin der Bergkirche Amden. Da hiess es statt Gottesdienst halt Frühjahrsputz. Gemacht ist gemacht. «Diese Situation kann ja höchstens ein paar Wochen dauern. Eine kurze Grippewelle halt», dachte ich. Doch es zog sich hin. Sonntag für Sonntag habe ich die «Glocken der Hoffnung» erklingen lassen.

 

Alle waren da. Und mir kamen die Tränen.

 

Ein Zeichen der Verbundenheit und der Gemeinschaft: Wir sind noch da und freuen uns, euch bald wieder zu begrüssen. Jeweils ein trauriger Moment, das laute Glockengeläut und die leeren Kirchenstühle. Auch traurig war für mich ein Diebstahl aus den WC-Anlagen. WC-Papier, Flüssigseife und Raumduftflasche. Diebstahl ist das eine, aber aus Kirchenräumen?

Besonders war schliesslich der Moment, als wir erstmals wieder Gottesdienst feiern durften. Es war schön, die Kirchgängerinnen und -gänger endlich begrüssen zu dürfen, die bekannten Gesichter wiederzusehen. Alle waren da. Und mir kamen die Tränen.

Sich bewusster begegnen. Das möchte ich aus den vergangenen Monaten weitertragen. Weil nach wie vor das Vereinsleben stillsteht oder kaum Anlässe stattfinden, bleibt die Zeit, um Begegnungen bewusst zu pflegen. Wenn alles wieder «normal» ist, soll es so bleiben.

Notiert: Andreas Ackermann | Foto: zVg

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