Gentechnik radiert Gott aus

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18.11.2019
Ist es möglich, durch Gentechnik einen neuen, besseren Menschen zu erschaffen? Atwoods «Oryx und Crake» ist sechzehn Jahre nach Erscheinen verblüffend aktuell.

Wer ein neues Organ benötigt, bedient sich beim «Pigoon». Das genetisch manipulierte Schwein dient als Organ-Ersatzteillager. Und die «Wolvogs» sehen zwar aus wie zahme Hunde, sind aber wild wie Wölfe, genetisch manipuliert. Von dieser düsteren Zukunftsvision erzählt Margaret Atwood im Roman «Oryx und Crake». Sechzehn Jahre nach Erscheinen rückt die Zukunftsvision immer näher: Das erste transplantierte Schweineherz scheint nur noch eine Frage der Zeit zu sein.

Pille rottet Menschheit aus
Der Roman erzählt die Geschichte zweier hochbegabter Freunde, Jimmy und Crake, in einer Welt, in der die Gentechnik keine Grenzen kennt. Crake wird erfolgreicher Biotechniker, dem es anscheinend gelingt, eine Pille herzustellen, die Menschen glücklich macht. Insgeheim ist Crake jedoch grüner Anarchist und die Pille enthält ein tödliches Virus. Damit will er die Menschheit endgültig ausrotten, um sie so daran zu hindern, die Umwelt noch mehr zu zerstören.

Schöne neue Gentech-Menschen
Statt der Menschheit hat Crake eine neue, genetisch manipulierte Ersatzspezies geschaffen. Sie hat keinerlei Empfinden für Zeit und erlebt somit die Gegenwart als eine Art Ewigkeit. Die nach ihrem Schöpfer benannten «Crakers» kennen auch kein Buhlen um sexuelle Partner. Und die Idee von Gott, gemäss Crake verantwortlich für Krieg und Zerstörung, hat er ihnen genetisch ausmanipuliert.

Mensch als Gott verehrt
Jimmy aber ist von Crake als eine Art Hirte für die «Crakers» auserkoren. Er stellt fest, dass diese beginnen, ihn als Gott zu verehren und gewalttätig zu werden. Anscheinend sind die menschlichen Probleme doch nicht nur durch Gentechnik lösbar.

In ihrer gewohnt bissigen und sprachlich virtuosen Art führt uns Margaret Atwood eine düstere Zukunft vor Augen, die letzten Endes nur durch eine Rückbesinnung auf menschliche, ethisch-moralische Werte abgewendet werden kann. 

Piper, 185 x 120 mm, 384 Seiten,  Ca. Fr. 18.– ISBN 978-3-492-31131-1

 

Text: Daniel Cojocaru | Bild: Pixabay (Symbolbild)   – Kirchenbote Dezember 2019

 

 

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