Unter Lebensgefahr

«Gspüregi Lüüt» lebten gefährlich

von Isabelle Kürsteiner
min
01.01.2025
Die mit den Bäumen und Steinen spricht, der die Krähen den Weg weisen und die sich mit Kräutern auskennt und das Schreiben beherrscht: Im Mittelalter und später hätte dieses «Gspürig si» wohl das Todesurteil bedeutet.

Nun, im Mittelalter und noch längere Zeit danach hätte ich in Lebensgefahr geschwebt oder wäre als Hexe ersäuft worden. Zu gross war die Angst vor der Energie, die nicht erklärbar ist, die aber «gspürt werde cha». Doch wer auf sein Herz und seinen Bauch hört, weiss, dass eben dieses «Gspüri» die normalste Sache der Welt ist. Denn es gibt Situationen, die im Voraus gefühlt werden können. Oder aber die Natur zeigt bei genauer Beobachtung die Zukunft auf.

Bachrauschen bei Schönwetter

Schon mein Vater verliess sich auf Nachbars Bach. Immer bevor er das Gras zum Heuen oder Emden mähte, lauschte er dem Bach. Wenn er in einer besonderen Weise rauschte, dann zeigte ihm das Schönwetter an und sofort begann Vater das Gras zu mähen. Selten, sehr selten wurde es verregnet. Meist «sprach» der Bach zu Vater und er interpretierte dieses Gehörte richtig. Heute ist das Bachbett künstlich korrigiert und das Wasser ist leider verstummt.

Mutters Voraussicht

Auch meine Mutter wusste, wie es ihren Mitmenschen ging, wenn sie vor ihnen stand. Als Mädchen liess sie dann und wann Bemerkungen über den Zustand ihres Gegenübers fallen. Das wurde ihr beinahe zum Verhängnis, als sie sich gegenüber ihrem Hausarzt äusserte. Beinahe wäre sie deswegen in der psychiatrischen Klinik gelandet und doch hatte sie recht gehabt mit dem «schlecht atmen», wie sich im Nachhinein herausstellte. Das war vor dem Zweiten Weltkrieg, also noch keine 100 Jahre her. Ab diesem Zeitpunkt verschloss sich Mutter gegenüber ihrem Bauchgefühl, bis sie mir nach über vierzig Jahren davon erzählte. Ich war fasziniert und konnte mir vieles, was ich gefühlt hatte, auf einmal bestens erklären. Ab diesem Zeitpunkt begann auch Mama wieder, vermehrt über ihr Wahrnehmen zu sprechen.

Krähen weisen den Weg

Was hätten die Menschen in früherer Zeit gedacht, wenn ich wie heute Krähen als Wegweisende bei Wanderungen befragt hätte. Aber es funktioniert. Auch Bäume zentrieren meine Gedanken und ich kann mich in ihrer Nähe bestens konzentrieren. Für mich erzählen Steine in Bildern Geschichten. Das, was diese Steine erlebt haben, kann ich «sehen». Es sind die interessantesten «Filme». Inneres Kino. Spannend. Ich möchte es nicht missen. Aber es geht nur stressfrei und nicht auf Kommando. Es zeigt sich, nicht ich mache es.

Kräuterkunde existierte schon vor Christus

Und dann die Kräuter! Das Wissen um ihre Wirkung wird wohl in vielen Familien weitergegeben. So auch in meiner. Schon Grossmama zog ihr Kräuterbuch zu Rate, um bei Krankheiten und Unfällen das richtige Pflänzchen zu suchen und zuzubereiten. Nicht nur die Menschen wurden damit behandelt, auch unsere Tiere. Von meinem ehemaligen Chef, Doktor Rai, weiss ich, dass in der Ayurveda-Medizin Kräuter ebenfalls verwendet werden und das auch schon seit mehreren tausend Jahren. Seit damals sind die Rezepte aufgeschrieben worden, in Sanskrit. Es ist anzunehmen, dass vorher das Wissen wohl mündlich weitergegeben worden ist.

Glück, Zufall oder zugefallen

Überhaupt hatte ich in meinem Leben das grosse Glück, immer wieder «wissende» Menschen um mich zu haben, zuerst meine Eltern, dann mein Ausbildner. Der Hausarzt wusste oft schon bei der Begrüssung, was der Patient oder die Patientin hatte. Nur von Hellwissen wollte er nichts hören. Aber es kam oft vor, dass er nach dem Händeschütteln ins Labor kam und bereits Untersuchungen anordnete, «um es ja nicht zu vergessen», wie er sich ausdrückte. Im Nachhinein waren es exakt die richtigen Werte, um die Diagnose stellen zu können oder zu bestätigen. So wurde ich in meiner Sensibilität stets gefördert! Dafür bin ich dankbar. Denn es bescherte mir sehr viele ausserordentlich spannende und interessante Momente. So auch der riesengrosse Engelsflügel auf dem Bild. Ich bat um Schutz einer Veranstaltung und sah ihn, als ich mich ausserhalb des Lokals umsah.

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