«Helvetia ruft, auch in der Kirche»

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03.11.2020
Mit Rita Famos wählte die Synode der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz erstmals eine Frau ins Präsidium. Die neue Präsidentin über ihre Wahl und die Erwartungen und Aufgaben, die vor ihr liegen.

Rita Famos, herzliche Gratulation zu Ihrer Wahl. Sie haben schon im ersten Wahlgang ein gutes Ergebnis erreicht.
Ja, ich bin froh, dass die Abstimmung nicht zu knapp ausfiel. Ebenso freue ich mich, dass Isabelle Graesslé beachtliche 25 Stimmen erhielt. Ich habe sie auf unserer Tour de Suisse zu all den Hearings schätzen gelernt. Sie ist eine kompetente Persönlichkeit.

Haben Sie dieses gute Ergebnis erwartet?
Nein, ich dachte, es wird knapper.

In der Synode der EKS wurden Sie gelobt. Es zeigt, wie viel Vertrauen man in Sie hat, aber auch, welche grossen Erwartungen man mit Ihrer Wahl verbindet.
Ja, es war schön zu hören, dass man meine Arbeit schätzt und anerkennt, wo ich in den letzten intensiven Jahren meine Handschrift hinterlassen habe. Sei es im Rat des Kirchenbundes, als Abteilungsleiterin der Zürcher Kirche, in der Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen oder als Ausbildnerin. Die Voten haben mich gerührt. Aber ich spüre auch den Druck und die Erwartungen, die man mit dieser Wahl verbindet. Die Messlatte ist sehr hoch, ich habe grossen Respekt. Ich weiss jedoch, dass ich nicht alleine dastehe. Die EKS hat eine dreigliedrige Leitung aus Präsidentin, Rat und Synode. Die Konferenz der Kirchenpräsidien wurde in der neuen Verfassung offizialisiert. Ich hoffe, wir können in diesen Gremien die Themen kollegial anpacken.

Welche Themen stehen an?
Ethische Themen, die sich aufdrängen. Etwa die Frage des assistierten Suizids, der auch einen seelsorglichen Aspekt hat. Oder das Thema Recht auf Kinder und Leihmutterschaft. Dann die Digitalisierung, welche die Kirche erreicht hat und unser Kirchensein, die Verkündigung und die Meinungsbildung verändert. Und die Bedrohung des Klimas, welche die Kirchen schon in den 90er-Jahren mit dem Ruf nach der «Bewahrung der Schöpfung» aufgegriffen haben. Ganz zuvorderst steht natürlich die Pandemie. Die Kirche ist herausgefordert, ihren Beitrag in der Gesellschaft zu leisten und die Menschen zu begleiten, sei es in der Seelsorge oder Diakonie. Auf der anderen Seite stehen wir vor der Herausforderung, Kirche zu sein, die von der Gemeinschaft lebt und zurzeit diese Gemeinschaft nicht leben kann.

In der hundertjährigen Geschichte des Kirchenbundes und der EKS sind Sie die erste Frau im Präsidium. Die Synode hat Frauen auch in die übrigen Leitungsgremien gewählt, in den Rat und als Präsidentin der Synode. Was ist passiert?
Es gibt die Aktion «Helvetia ruft», die Frauen für die Kandidatur für politische Ämter ermutigen möchte. Helvetia hat auch in der Kirche gerufen. Die Frauen, die gewählt wurden, verfügen über eine hohe Kompetenz. Evelyn Borer war Kantonsrätin und ist heute Synodalratspräsidentin einer Kantonalkirche. Die Juristin Catherine Berger-Meierist Präsidentin einer grossen Kirchgemeinde. Toll, dass jetzt solche Frauen bereit sind, die Verantwortung zu übernehmen. Ich freue mich, mit ihnen zusammen Kirche zu gestalten.

Die Westschweizer Kirchen präsentierten mit Isabelle Graesslé ihre Kandidatin. Nach 35 Jahren wollten sie erstmals eine Präsidentin stellen und sind entsprechend enttäuscht. Zeigt sich da der Röstigraben?
Ich verstehe es, dass die welschen Kirchen zunächst enttäuscht sind, denn sie haben eine gute Kandidatin präsentiert. Ich werde nun die Kontakte in die Romandie vertiefen und ausbauen und zusammen mit den beiden Ratsmitgliedern aus der Romandie darauf achten, dass man die Stimmen aus der Westschweiz in der EKS hört. Die Kirchen in der Romandie stehen an einem anderen Punkt als jene der Deutschschweiz, etwa die Genfer Kirche in ihrem säkularen Umfeld. Ich bin jetzt Präsidentin für alle Reformierten und will auch für ihre Anliegen offen sein.

Interview: Tilmann Zuber, kirchenbote-online

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