Horcht, was da von draussen kommt!

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22.03.2019
Die Tatsache, dass Kirchen Boten hinausschicken über die Kantonsgrenzen hinweg, um nach ihrer Relevanz in der Gesellschaft zu forschen, lässt aufhorchen. Wozu suchen die St. Galler, was von aussen kommt?

Drei Beobachtungen aus Zürich: 2017 besuchten gezählte 600 000 Menschen das Grossmünster, 2013 waren es geschätzte 100 000 Personen. Es sind nicht nur Touristen. 

Gehört werden, Gehör verschaffen
Eine grossangelegte empirische Untersuchung in Deutschland und der Schweiz (Hilde Rebenstorf, u.a. [Hrsg.], Citykirchen und Tourismus, Leipzig) zeigt auf, wie gross die individuelle und gesellschaftliche Erwartung an die Citykirchen sind: Die Sehnsucht drinnen, gehört zu werden, und die Verantwortung draussen, den verstummten Stimmen Gehör zu verschaffen, sind die zwei Seiten derselben Medaille eines religiösen Empfindens. Dieses nimmt dramatisch zu und spiegelt sich wider in den offenen Kirchen im ganzen Land und den steigenden Besucherzahlen in den Kirchen der Altstadt. Zweitens eine Szene der Premiere des Zwinglifilms im Corso-Kino am Bellevue in Zürich: Toute la Zurique war präsent, der Kirchenrat in corpore, Regierungsmitglieder von Kanton und Stadt. Der Saal war voll besetzt. Das Licht auf der Bühne ging an. Zuerst trat die Stadtpräsidentin Corine Mauch ins Scheinwerferlicht und eröffnete das Zwinglijahr offiziell in der Zwinglistadt.

«Ist Zwingli zur säkularen Marke einer Stadt geworden?»

Keine anderen Vertreter aus Politik, Kirche und Gesellschaft ergriffen das Wort, sofort kam die Filmcrew zu Wort, dann Film ab. Ist Zwingli nicht mehr kirchlicher bzw. konfessioneller «Brand»? Ist «Zwingli» zur säkularen Marke der Identität seiner Stadt geworden? Und schliesslich: Der gesellschaftsrelevante diakonische Auftrag von Kirchen ist seit den 1990er-Jahren einem erheblichen gesellschaftlichen Rechtfertigungsdruck ausgesetzt. In jüngster Zeit wurden die sozialen Leistungen der Kirchen im Kanton Zürich erhoben. Der Kanton zahlt seit 2010 Beiträge für allgemeine kirchliche Tätigkeiten. Die Kirchen wurden beauftragt, Transparenz über die Verwendung der Mittel und der Leistungen zu schaffen und nachzuweisen, welche Tätigkeiten gesamtgesellschaftliche Bedeutung zukommen (siehe Kasten). Wer entscheidet in Zukunft über die Relevanz diakonischer Dienstleistungen der Kirchen? Die Kirchen mit ihrer Magna Charta der Diakonie, dem barmherzigen Samariter mit seinem Esel, dem Wirt und dem Zusammengeschlagenen? Oder der Staat mit seinem Evangelium von Leistungsvertrag, Quantität und Kostendruck? 

 

Mit der Kirche Staat machen
Ich bin überzeugt: Mit unseren Kirchen kann und soll man Staat machen in ihren Räumen an den besten und zentralsten Lagen; mit dem reformatorischen Erbe des schmuckfreien Kirchenraums als Resonanzraum für die vertikale Achse der Spiritualität, mit der horizontalen Achse zum Mitmenschen – die vertikale Achse in Gestalt von Wein, Brot, Gebetsbuch, Kerzen, Musik; die horizontale Achse in der Ethik des Sozialen und ihrer Diakonie des Christseins. 

 

Text: Christoph Sigrist, Pfarrer, Grossmünster Zürich | Foto: meka  –Kirchenbote SG, April 2019

 

 

 

 

 

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