In «Geld» we trust – oder doch in Gott?
Was für eine schöne Ironie: «In God we trust, wir vertrauen Gott!» So steht es auf jeder Dollarnote, der globalen Leitwährung. Ja, was nun? Sollen wir Gott oder dem Geld vertrauen?
Wer sich umhört bei Fachleuten für Finanzen und Religion, gewinnt rasch den Eindruck, dass Geld und Gott sich in etwa so zueinander verhalten wie ein älteres Ehepaar. Sie kriegen sich in die Haare und können doch nicht voneinander lassen. Als hätte die Finanzwelt etwas Religiöses und die Religion etwas Ökonomisches. Kein Zufall – versprechen doch beide das Gleiche: Sicherheit in Krisen, Erlösung vom Übel und das Paradies. Dafür braucht’s nur Credit. Oder Credo. So eine Art Vertrauensvorschuss.
Lob des Reichtums
Die christliche Tradition zum Geld ist vielschichtig. Einerseits wird emotionsfrei vom Reichtum berichtet, wie etwa bei Abraham und Sara, die als Krösusse galten. Oder Hiob. Er wird von Gott mit Gold überschüttet, kriegt dazu 6000 Kamele und 1000 Eselinnen. Zehn Kinder gab’s noch obendrauf. Und die biblische Weisheit weiss, dass Gott die Arbeit des Fleissigen gut belohnt, eine Einsicht, die wohl irgendwann ihren Weg in die helvetische DNA fand.
Im Neuen Testament stehen zwei Frauen für mondänen Luxus, jene Dame der Jerusalemer Haute Volée, die Jesus mit einem sündhaft teuren Eau de Toilette parfümiert. Dies nur wenige Stunden vor seinem Ableben, was Kritiker schon damals zur Schnappatmung zwang: «Wie sinnlos ist das denn? Hätte man das Geld lieber den Armen gegeben!» Ihr zur Seite steht Lydia, eine Frau, über die man gerne mehr erfahren würde. Sehr eigenständig, emanzipiert, eine spirituell Suchende – und richtig reich, diese selbstständige Purpurhändlerin, Handlungsreisende zwischen Orient und Okzident mit dem teuersten Farbstoff der Welt. Sie verkehrte in höchsten Kreisen und verdiente am Luxusgut hinlänglich.
Klage der Armut
Andererseits ist auch Armut ein Thema. Der bekannteste Beleg ist das scharfe Jesuswort, man könne nicht gleichzeitig Gott dienen und dem Geld. Der gelernte Zimmermann war denn auch eher mittellos unterwegs, mit Frauen und Männern, die sich seinem Armutsideal anschlossen und vorderhand im Hier und Jetzt lebten, weil sie damit rechneten, dass Gott sie schon versorgt. Als einmal ein Reicher dazustossen wollte, forderte Jesus ihn auf, dem Besitz zu entsagen. Fehlanzeige. Jener ging traurig weg. Schliesslich kommt eher ein Kamel durchs Nadelöhr als ein
Reicher in den Himmel.
«Wenn viel Geld wirklich glücklicher machen würde, würde man diese Leute doch auf der Strasse erkennen!»
Paul Zumbühl
Das alles knüpft nahtlos an ans Zinsverbot des Alten Testaments. Und an die Forderung zum Schuldenerlass, einer Sozialklausel, damit die Unterschiede nicht zu gross würden. Psalmen erzählen von der Nähe Gottes zu den Armen: Er verschaffe ihnen Recht, rette sie vor den Räubern und helfe ihnen, aufzustehen. Propheten kritisieren die Ausgrenzung: Die Reichen hätten ihnen die Häuser geraubt, verkauften sie um ein paar Schuhe und an ihren Kleidern hänge das Blut der Armen. Ein Diktum, das merkwürdig aktuell tönt, da der Westen doch heute allzu oft seine Kleider und Hosen aus den Händen asiatischer Näherinnen so gedankenlos trägt wie wegschmeisst. Die aber haben oft kaum mehr als einen Dollar am Tag. Und auf dieser Note steht dann «In God we trust».
Auf die Haltung kommt es an
Die grosse spirituelle Tradition der Christenheit steht zum Geld also insgesamt eher nüchtern: Es kommt ihr nicht so sehr darauf an, Reichtum und Armut zu beurteilen, als wäre das eine immer gut und das andere immer schlecht. Oder umgekehrt. Viel wichtiger ist ihr die Haltung gegenüber dem Zaster: Erwartet man von Scheinen und Münzen Glück, Erfüllung und Sicherheit – also mehr, als alles Geld der Welt leisten kann – und rafft so viel, wie es geht? Oder ist man in der Lage, loszulassen und zu geben, was man kann? «Gier» hiess das Raffen früher und meinte «den Hals nicht vollkriegen». Sie kann Arme wie Reiche treffen, Banker und «Büezer», und Sprungbrett werden für Hochmut und Gottvergessenheit. Das Gegenteil wäre Gottvertrauen. Jesus mahnte denn auch: «Was würde es einem Menschen helfen, wenn er die ganze Welt gewönne, aber Schaden nähme an seiner Seele?» Nichts. Und Paulus pflichtet ihm bei: «Ich kenne beides, Entbehrung und Überfluss, Sattsein und Hungern und halte beides aus durch Gott, der mir Kraft gibt.» Wie nüchtern, wie gelassen doch Gottvertrauen sein kann! Also: Die Haltung macht’s, und nicht der messbare Stand auf dem Konto.
«Gier steckt das Hirn an»
«Geld ist ein Tauschmittel, sonst nichts», erklärt denn auch Paul Zumbühl, und er wirkt dabei ebenso locker wie nüchtern, mit spürbarer christlicher Bodenhaftung. Der Mann muss es wissen. Sein Leben lang hat er mit Geld gearbeitet, im Finanz- und Kreditsektor, auch als Anlageberater und zuletzt als Regionalleiter der hiesigen Kantonalbank. Und er hat doch in all den Jahrzehnten nie seinen Kompass verloren, blieb stets emotionsfrei dem Papier und den Talern gegenüber, die das Material nicht wert sind, das ihr Aufdruck verheisst. «Gier steckt das Gehirn an, und dann funktioniert es nicht mehr», kann er sich fast lustig machen über allzu blinden Glauben ans Materielle.
«Geld ist nur ein Zahlungsmittel und bedeutet eine gewisse Freiheit, doch wirkliche Freiheit haben wir nur, wenn der Geist frei ist.»
Oswald Grübel
Wenn die Grundbedürfnisse gestillt seien, führe mehr Geld selten zu mehr Glück, findet er. Und kann es beweisen: «Wenn viel Geld wirklich glücklicher machen würde, würde man diese Leute doch auf der Strasse erkennen!» Doch Fehlanzeige. Mehr Wohlstand führe eher zu mehr Neid und Stress. Auch bei Lottogewinnern. Eine Studie zeige, dass 75 Prozent von ihnen nach vier Jahren ärmer seien als zuvor. «Nichts betäubt die Sinne mehr als leicht verdientes Geld.» Deswegen sei Vererben auch oft so heikel, so Zumbühl. Plötzlich stehe viel Geld im Raum, aber auch eine Familiengeschichte. «Nichts ist dann schlimmer, als das Erbe ungleich zu verteilen», rät er. Sonst vererbten sich die «offenen Rechnungen» zwischen den Erben gleich mit. Das passt ganz gut zum Volksmund, der weiss, dass das Totenhemd keine Taschen hat. Also, loslassen und raus damit. Mitnehmen kann sowieso keiner was, dann lieber gleich Gutes damit tun.
«Schotter» nicht überbewerten
In die gleiche Richtung zielt der langjährige Banken-Chef Oswald Grübel. Im Interview mit dem Pfarrblatt meint er: «Geld ist nur ein Zahlungsmittel und bedeutet eine gewisse Freiheit, doch wirkliche Freiheit haben wir nur, wenn der Geist frei ist.» Und er bricht eine Lanze dafür, mit Geld Gutes zu tun: «Vor hundert Jahren hatten wir achtzig Prozent hungernde Menschen auf der Welt, heute sind es zehn Prozent. In fast jedem Land zahlen zwanzig Prozent achtzig Prozent der Steuern, ohne Reiche würden die Demokratien kollabieren.»
Nicht dass damit alle Ungerechtigkeiten aus der Welt sind! Es gibt noch viel zu tun, klar. Aber mit missionarischem Übereifer alles Heil von monetärer Gleichheit zu erwarten scheint nur eine Form der religiösen Hyperventilation zu sein, eine übererregte Aufladung des Geldes mit mystischer Erlöserkraft, die es doch nie hat. Wie will man für Arme sorgen, wenn man selbst nichts hat? Besser scheint es, nüchtern zu bleiben und Gutes zu tun. Und gut ist es, ab und zu einen Dollar anzuschauen und zu lesen, was draufsteht: «In God we trust!»
Text: Reinhold Meier, BR-Journalist und Psychiatrie-Seelsorger, Wangs | Fotos: Pixabay (Dollar), Hansjörg Walter – Kirchenbote SG, November 2020
In «Geld» we trust – oder doch in Gott?