Ist Kirche politisch?

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17.01.2019
Dürfen die Kirchen politisieren? Dem CVP-Präsidenten Gerhard Pfister ist die Einmischung ein Dorn im Auge, für SP-Nationalrat Eric Nussbaumer ist es ein Gebot der Stunde.

Die Frage ist alt und bleibt umstritten: Wie politisch soll und darf die Kirche sein? Im November 2018 traf sich auf Einladung der katholischen Theologin Béatrice Acklin Zimmermann, die für die FDP im Freiburger Stadtparlament sitzt, eine Gruppe von kirchennahen Männern und Frauen zu einer ersten Sitzung des Thinktanks «Kirche/Politik». Medialen Niederschlag fand dieses Treffen später in verschiedenen Medien. Unter der Schlagzeile «Das ist ein tiefer Rückfall ins Mittelalter» kritisierten Béatrice Acklin und CVP-Präsident Gerhard Pfister die Kirchen für deren Einmischung in die Politik.

Treffen in Engelberg
Auch der Baselbieter SP-Nationalrat Eric Nussbaumer war zur ersten Sitzung des Thinktanks eingeladen. Nussbaumer ist bekennender Christ und engagiert sich bei der Evangelisch-methodistischen Kirche. Auf die Bezeichnung Thinktank angesprochen, relativiert Nussbaumer: «Die Bezeichnung ist etwas hoch gegriffen. Wir haben uns an einem Morgen in Engelberg getroffen und uns ausgetauscht.» Neben Nussbaumer nahmen der reformierte Theologieprofessor Ralph Kunz, der ehemalige Engelberger Abt Berchtold Müller, der Glarner Kirchenratspräsident Ulrich Knoepfel, die Bundesparlamentarier Claudio Zanetti (SVP) und Maja Ingold (EVP) sowie Béatrice Acklin und Gerhard Pfister teil. Ziel des Treffens war es, über die Rolle der Kirchen in der politischen Debatte zu diskutieren.

Gerhard Pfisters Unmut
Gerhard Pfister habe erneut seinen Unmut bekundet, dass sich einzelne Kirchenexponenten zu politischen Sachfragen äusserten, deren Hintergründe sie weder kennen noch verstehen. In dieser Haltung sei Gerhard Pfister von Béatrice Acklin unterstützt worden. «Frau Acklin findet, dass Parteiparolen nicht auf die Kanzel gehören», erzählt Nussbaumer. Er sei anderer Meinung: «Die Kirchen müssen sich unbedingt zu gesellschaftlichen Themen äussern.»

Natürlich bestehe ein gewisses Spannungsfeld, wenn die theologisch-ethische Reflexion nicht gleichzeitig mitgeliefert werde. Allerding sei es aus seiner Sicht legitim, wenn sich Kirchenvertreter aufgrund ihrer Werte und Ethik in tagespolitische Fragen einmischen, findet Nussbaumer. Die starke Ablehnung von Acklin und Pfister könne er in diesem Umfang nicht nachvollziehen.

Zukunft der Gruppe ungewiss
Die Gruppe will sich künftig einmal pro Jahr treffen und Wertebegriffe wie Verantwortung und Freiheit oder Fragen der Menschenwürde diskutieren. Auf die Frage, wie es denn nun für ihn persönlich weitergehe, gibt sich Nussbaumer diplomatisch. Er selbst habe keine Zeit für ein permanentes Gremium. Wenn man die Gruppe installieren möchte, müssten noch ein paar Exponenten hinzukommen und es müssten bessere Strukturen geschaffen werden.

Grundsätzlich fände es Nussbaumer gut, wenn die Landeskirchen in Bern besser vertreten wären. Schliesslich seien die Kirchen prädestiniert, Reflexion anzubieten. «Wenn die Gruppe die Basis sein könnte, um einen besseren Austausch zu haben, wäre das für alle positiv.»

Toni Schürmann, kirchenbote-online, 17. Januar 2019

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