Jede Schülerin erhält einen Denar

min
22.04.2020
Im Religionsunterricht lernen Schulkinder erstmals Gleichnisse kennen. Doch die Deutung gelingt nicht immer.

«Gleichnisse sind eine Herausforderung, auch für Erwachsene», sagt Susy Zublasing. Die Wittenbacherin unterrichtet seit zwanzig Jahren Religion an der Primarschule. Denn ein Gleichnis benutze Bilder, sei nicht wortwörtlich gemeint. «Die Schüler müssen zuerst lernen, zwischen den Zeilen zu lesen.» Als Einstieg erklärt Zublasing den Kindern Redewendungen: «Ich habe ein Brett vor dem Kopf» oder «Das Wasser steht mir bis zum Hals». So lernen sie, zwischen dem wortwörtlichen und dem übertragenen Sinn zu unterscheiden.

Rund drei Gleichnisse behandelt Zublasing im Unterricht. Zum Beispiel dasjenige von den Arbeitern am Weinberg (Mt 20,1-16). Die Menschen hätten Jesus gefragt: «Wie ist das nun mit diesem Himmelreich?» Da habe Jesus geantwortet: «Das ist schwierig zu erklären. Ich versuche es mit einer Geschichte.» So erzählt auch Zublasing den Kindern eine Geschichte, und zwar anschaulich: Sie schmückt sie aus, zeichnet ein Bild während des Erzählens, und an der entscheidenden Stelle erhält jedes Kind eine Münze, einen Denar. So erleben die Kinder die Geschichte hautnah mit und sind bereit für den nächsten Schritt: die Deutung.

Gleichnisse selbst erspüren

«Ein Gleichnis sagt etwas über Gott aus oder über unser Leben», ist Zublasing überzeugt. Doch wie man ein Gleichnis verstehe, hänge von der eigenen Lebenssituation ab. «Wer liebevolle Eltern hat, versteht das Gleichnis vom verlorenen Sohn ganz anders, als wer in schwierigen Verhältnissen aufwächst.» Deshalb lasse sie die Deutungen der Schüler immer stehen, ohne sie zu kommentieren. Eigentlich nie teile sie ihnen ihre eigene Deutung mit – selbst dann nicht, wenn von den Schülern nichts kommt, wenn sie den Zugang zu den Gleichnissen nicht finden. «Dann ist es wohl nicht der richtige Zeitpunkt. Gleichnisse muss man selbst erspüren.»

Text: Stefan Degen | Zeichnung: Joann Wenzig, 10 Jahre, Wittenbach – Kirchenbote SG, Mai 2020

Unsere Empfehlungen

«Ich bin eine begeisterte Reformierte!» (1)

Rita Famos, Präsidentin der Evangelischen Kirchen Schweiz (EKS) verriet am Podiumsgespräch in Teufen, was sie motiviert und was ihr schlaflose Nächte bereitet. Seit 2021 ist sie die Frau an der Spitze der EKS. Sie stellte sich kürzlich den Fragen von Pfarrerin Andrea Anker und jenen aus dem ...

Ihr Sohn gibt ihr Kraft (1)

Vor zwei Jahren verlor Iryna Roshchyna ihren Mann, vor einem Jahr musste die Ukrainerin Hals über Kopf mit ihrem knapp zweijährigen Sohn in die Schweiz flüchten. Mittlerweile hat die Köchin eine Stelle gefunden und im Rheintal Fuss gefasst. Bei ukrainischen Crèpes mit Lachs und Apfel erzählt sie ...
Ihr Sohn gibt ihr Kraft

Ihr Sohn gibt ihr Kraft

Vor zwei Jahren verlor Iryna Roshchyna ihren Mann, vor einem Jahr musste die Ukrainerin Hals über Kopf mit ihrem knapp zweijährigen Sohn in die Schweiz flüchten. Mittlerweile hat die Köchin im Rheintal Fuss gefasst. Bei ukrainischen Crèpes mit Lachs und Apfel erzählt sie aus ihrem bewegten Leben.