«Kirche und Kunst gehen wunderbar zusammen»

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11.04.2016
Der in Luzern wohnhafte deutsche Regisseur und Künstler Benjamin Heisenberg hat eine neue Aufgabe: Er sitzt im Präsidium des Deutschen Kirchentags. Ein Gespräch über Glaube, Demokratie und Kindheitserinnerungen.

Herr Heisenberg, wie haben Sie’s denn mit der Religion?
Das hat mich ein Mitglied der Präsidialversammlung des Kirchentags auch gefragt. Und ich musste dem Mann sagen: Ich habe keine starke kirchliche Bindung. Obwohl getauft und konfirmiert, bin ich kein regelmässiger Kirchgänger. Mein Glaube ist privat, sozusagen hausgemacht.

Und jetzt sind Sie trotzdem gewählt.
Die Ernennung kam für mich auch völlig überraschend. Jetzt bin ich doch tatsächlich der erste Künstler, der im Präsidium des Kirchentags vertreten ist.

Ist das Vorteil oder Nachteil?
Ich sehe es als Chance, weil die Beziehung zwischen Kunst und Glaube doch gerade in diesem Kontext gefördert werden kann. Hierzu möchte ich meinen Teil beitragen. Der Kirchentag ist eine Laienbewegung, er wird von der Basis aus gestaltet. Das Präsidium leitet nicht, sondern berät. Ich hoffe, ich kann den Leuten dabei helfen, spannende Themen zu setzen und Diskussionsgrundlagen zu schaffen.

Als Regisseur und Künstler kennen Sie sicher auch die richtigen Leute.
Vielen Kunstschaffenden ist die Kirche fremd. Sie wissen nicht, dass der Kirchentag von Laien organisiert und vor allem ein Forum für die Auseinandersetzung mit aktuellen Themen der Gesellschaft ist. Er ist zutiefst demokratisch und integrativ. Europa ist derzeit mit riesigen gesellschaftlichen Bewegungen konfrontiert. Der Kirchentag und auch die Kirche sind gute Orte, um das zu reflektieren und an Lösungen für die grossen Probleme zu arbeiten.

Kirche als Ort für gesellschaftliche Debatten?
Unbedingt. Das war früher ganz selbstverständlich. Nur nehmen das viele Menschen nicht mehr wahr.

Und Sie wollen das ändern?
Zumindest kann ich eine Vermittlerrolle übernehmen. Natürlich sind religiöse Inhalte Teil des Kirchentags-Programms. Doch gerade in Zeiten von Fundamentalismus können die liberalen Gläubigen und die Kirche viel zur Vermittlung beitragen. Sie können ein Lebensmodell vorleben, das offen ist, aber gleichzeitig auch Anbindung an Gott hat. Dieses Angebot ist gar nicht so trivial.

Waren Sie am letzten Kirchentag live dabei?
Ja, das war eine tolle Erfahrung. Es war Hochsommer. In der völlig überhitzten Stuttgarter Strassenbahn fingen die Leute plötzlich an, Kirchenlieder zu singen; und die halbe Strassenbahn sang mit. Das war sehr berührend und auch lustig. Irgendwo zwischen zwei Zelten stand eine kleine Bühne mit einem Sofa. Da sass Thomas De Maizière, der Politiker, und sprach in intimem Rahmen mit den Leuten. Das wäre sonst nie möglich. Es war alles sehr frei und leicht im Umgang, das fand ich toll.

Hat der Kirchentag also eine Berechtigung für Sie?
Natürlich. Er ist ein Ort, an dem bereichernde Erfahrungen gemacht werden und man sich mit grundlegenden Fragen auseinandersetzt. Das ist für die Entwicklung einer Gesellschaft sehr wertvoll. Aber auch für die Kirche ist es wichtig, dass die Gläubigen immer wieder überprüfen, ob dieser Austausch im Alltag gelebt wird – oder ob auch Diskriminierung stattfindet. Auch für diese Überprüfung ist der Kirchentag ein sehr guter Motor.

Bereichert Glaube das Leben? Ist er ein Bestandteil von Glück?
Sicher kann man ohne Glauben leben. Er kann aber eine unglaubliche Kraft sein und ein Anstoss, sich mit den grossen Lebensfragen auseinanderzusetzen. Als ich Kunst studierte, interessierte ich mich herzlich wenig für spirituelle Themen. Meine Frau hat mich dem Glauben wieder nähergebracht. Und jetzt bringt mich der Kirchentag wieder dazu, mir neue Fragen zu stellen.

Welche Glaubensbeziehung hatten Sie als Kind?
Ich sang im katholischen Knabenchor, im Würzburger Dom, das hat mich geprägt. Ich weiss auch noch, wie mir mal in unserer Dorfkirche vor der versammelten Kirchgemeinde der Münzbeutel zerriss und auf den Boden klatschte. Die ganze Gemeinde lachte mit mir mit. Wir hatten in unserem Dorf einen sehr lustigen, weltoffenen Pfarrer. Aber da sind auch Erinnerungen an festgefahrene Strukturen. Die Kirche hatte verschiedene Seiten.

Ist der Glaube auch in Ihren Filmen Thema?
In meinem Film «Schläfer» geht es stark um Glaube und Fragen der Moral. Der Hauptdarsteller verrät seine eigenen Werte und verzweifelt daran. Auch bei meinem zweiten Film, «Der Räuber», finden sich christliche Symbole wieder. Überhaupt habe ich mich immer wieder für die Frage interessiert, wie unser christlicher Glauben unser Verhalten prägt? Ich mache keine religiösen Filme, aber meine Filme stellen in gewissem Sinne religiöse Fragen.

Könnte das Filmbusiness mehr an christlichen Werten gebrauchen?
Es werden zu viele Filme gedreht, die extreme Gewalt zeigen. Sex, Halligalli, Brutalität. Das echte Leben ist aber differenzierter. Wir bräuchten eine ganzheitlichere Erzählkultur im Film, in allen Genres.

Und Sie versuchen, das von Luzern aus zu ändern?
Luzern ist der ideale Ort für mein Seelenheil. Ich komme hier gut zur Ruhe und kann mich auf meine Arbeit konzentrieren und mit meiner Familie Zeit verbringen. Sonst bin ich viel unterwegs, zum Drehen, auf Festivals oder Ausstellungen. Dann finde ich diese Ruhe oft in Kirchen. Dort kann ich Stunden sitzen und meditieren.

Dieser Artikel stammt aus der Online-Kooperation von «reformiert.», «Interkantonaler Kirchenbote» und «ref.ch».

Interview: Anna Miller / Kirchenbote / 12. April 2016

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