Kirche und Mammon
Dieser zwinglianische Bibel-Optimismus gerät bei allen Lebensthemen schnell in Schwierigkeiten, weil das Evangelium im Kontext des gesamtbiblischen Zeugnisses ja nirgendwo einheitliche Aussagen macht. Also auch beim Thema Geld nicht.
Grosser Reichtum wirkt verdächtig
Grosser Reichtum wird zwar generell sehr verdächtig betrachtet («wehe euch ihr Reichen!»), ein Wohlstandsevangelium kann sich ganz bestimmt nicht darauf berufen. Dann müsste man bibeltreu Nomade werden wie Abraham, wobei die Bibel kaum an moderne superreiche Steuernomaden auf ihren Superyachten gedacht haben wird.
Vereinfacht gesagt gibt es die prophetisch-diakonische Perspektive, die zum Geben aufruft und die Armut preist – ihr entsprechend ruft Bonhoeffer seine viel zitierte «Kirche für Andere» dazu auf, alles zu verkaufen, was sie hat, was eher selten zitiert wird – und eine weisheitliche Perspektive, die eine gute Existenz ohne Ausbeutung anderer begrüsst. Beides findet sich auch in der Verkündigung Jesu, der damit in guter breiter Tradition seiner Bibel liegt: von «Gib alles, was du hast» an den reichen Jüngling, bis zu «macht euch Freunde mit dem ungerechten Mammon». Während sich Jesus öfters mit dem Geld auseinandersetzt, und zwar eher kritisch, ist das Thema Sexualität viel seltener wichtig. Dies, um die Prioritäten der Bibeltreuen zu orientieren. Der Jakobusbrief, der sich fast als einziges apostolisches Schreiben vertieft mit dem Reichtum beschäftigt, freilich äusserst kritisch, interessiert sich nicht für das Sexleben der Lesenden!
Ein Theologiekurs schadet keiner Finanzverantwortlichen, und ein Basiskurs im Bilanzenlesen nicht den Pfarrleuten.
Wo ist der Geist im Geld?
Synodendebatten finden trotzdem kaum geistlich zum Thema «Finanzen» statt, die Budgets werden von der Rechnungsprüfungskommission oder der Finanzkommission geprüft, und dann wird um Steuerpromille gefeilscht. Müsste da nicht mehr Geist ins Geld?
Es ist ja eine Eigentümlichkeit der reformierten Kirchen, dass in ihnen gemischte Gremien über alles entscheiden, gemischt aus theologischen und ökonomischen Fachleuten und Laien. Oft entwickelt sich eine gewisse «Gewaltenteilung»: die einen sind für das Geistliche, die anderen für das Finanzielle zuständig. Die einen haben Visionen und die anderen bremsen mit den Finanzen. Dort, wo sich das so entwickelt hat, vergibt die reformierte Kirche die Chance, sich gesamthaft in die Verantwortung zu nehmen. Theologische und ökonomische Fachleute wären gut beraten, sich gegenseitig verständlich zu machen und aufeinander zu hören. Ein Gottesdienstbesuch oder ein Theologiekurs schadet keiner Finanzverantwortlichen, und ein Basiskurs im Bilanzenlesen nicht den Pfarrleuten. Die Sozialdiakonie weiss manchmal als Sozialfachschaft etwas mehr davon, woher Geld kommt und wohin es fliesst, aber auch hier gibt es eine prophetische Schlagseite. Klammerbemerkung: Ausgerechnet die vielgerühmte Zürcher Reformation hat im Gefolge des «Mushafens» zu einer Diskussion über die Frage der «echten Armut» geführt, mitsamt der ganzen Sozialinquisition, die heute betrieben wird.
Romantisierend würde man wohl diese gemischten Gremien mit dem «Priestertum aller Gläubigen» zu begründen versuchen. Wahrscheinlicher ist ein anderer Grund. Die Finanzierung der Kirchen über Steuern als obrigkeitliches Zwangsinstrument verlangt eine demokratische Kontrolle. Fast ironischerweise führt diese Steuerfinanzierung aber zu einem evangelischen Modell, mehr als die weltweit übliche Finanzierung durch Spenden oder den Zehnten. Denn bei den Steuern gibt jede Person entsprechend ihrem «Vermögen» (inkl. Einkommen, und dies noch mit einem progressiven Satz), also wie es im Evangelium am Beispiel der armen Witwe statuiert wird. Und bekommt im Gegenzug nicht mehr Macht, denn «one man one vote»! Wenn das nicht fair ist! Und es ist insbesondere den Wohlhabenden zu danken, dass sie sich diesem System unterstellen, denn heute ist es ja im Prinzip freiwillig, und es ist manchmal schwer verständlich, warum Arme wegen ein paar Franken austreten. Wer also Freikirchen als Vorbild postuliert, muss sich das aus nur schon evangelischen Überlegungen sehr gut überlegen.
Die Steuerlogik hat allerdings das Zwangsempfinden inhärent. Daher die stete Angst der kirchlichen Behörden, das Programm und die Botschaft würden Steuerpflichtige, wenn auch nicht in gleichem Masse, verärgern und vertreiben. Dazu aber Jakobus 2,1-4 als Warnung: «Messt ihr nicht mit zwei verschiedenen Massstäben?»! Oder die Angst, eine Erhöhung der Steuern würde zu Austritten führen. Und damit übernehmen die Behörden den unausgesprochenen Auftrag, Ausgaben zu bremsen. Umgekehrt achten geistlich-prophetische Verantwortungstragende oft nicht auf die Finanzierung ihrer Projekte (und ihrer selbst!), und vergessen dann auch die Wertschätzung gegenüber denen, die oft demokratisch wenig gefragt, einfach dazu beitragen. Wobei Wertschätzung auch gegenüber den Beauftragten gilt: Kirchlich Engagierte kann man nicht mit finanziellen Anreizen fördern, sondern mit einer sinnerfüllten Aufgabe in konstruktiver Atmosphäre!
Dabei hat jedes Gemeinwesen in der Schweiz ganz einfach den Grundsatz, die Steuern entsprechend dem Aufwand zu erheben. Und nicht umgekehrt! Also besteht überall, und nicht besonders in der Kirche, eine Reihenfolge: Zuerst Auftrag, dann Geld! Wie erst recht in der Kirche! Ja, und zugleich: Mitsprache aller beim Auftrag! Wer für wen und womit? Der Sachverstand aller ist gefragt. Ein berechtigter Zirkel!
Kirchlich Engagierte kann man nicht mit finanziellen Anreizen fördern, sondern mit einer sinnerfüllten Aufgabe in konstruktiver Atmosphäre!
Antizyklische Haltung
Ich empfehle also gegenseitige Wertschätzung, Aneignung von Sachverstand in allen Belangen und lebendige Diskussionen im Geiste des Evangeliums!
Um aber etwas einseitig und profiliert zu enden: Ich wünsche allen Kirchenbehörden gerade in einer Zeit der Verunsicherung und Zukunftssorgen eine antizyklische Haltung: Sät grosszügig, damit geerntet werden kann. Vergrabt eure Talente nicht, sondern investiert sie. Konkret: Synoden und Kirchenpflegen sprechen Innovationsfinanzen, die nicht auf Franken und Rappen bereits den Finanzplan der nächsten zehn Jahre abbilden sollen, sondern die einfach mal etwas wagen. Risikokapital! Denn es ist «nur» Geld. Dass das möglich ist, habe ich als Gemeindepfarrer erlebt, wo wir ein 400’000-Franken-Legat für gute Ideen unbürokratisch einsetzen durften. Und als Kirchenratspräsident, wo uns Kanton, Stadt, Kirche und Wirtschaft rund 20 Millionen (!) für ein lebendiges, kreatives und vielfarbiges Reformationsjubiläum zur Verfügung gestellt haben. Und wer jetzt spassbremsig die Frage nach dem Output stellen will, der schaue sich erst einmal den Zwingli-Film an, oder lese das Buch «Gelebte Reformation», TVZ 2022!
Kirche und Mammon