Kirchenmusikalische Zauberformel gefunden

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22.12.2019
Er sei «unheimlich musikalisch, vielseitig und experimentierfreudig», sagt eine Sängerin, die ihn als Dirigenten erlebt hat. Rudolf Lutz, der Organist, Pianist, Cembalist, Dozent, Komponist, Lehrer, Chor- und Orchesterdirigent, Improvisator, Musikpädagoge und künstlerische Leiter der J.S. Bach-Stiftung, beherrscht viele musikalische Sparten von Barock bis Jazz.

Er habe soeben etwas Wunderbares erlebt: Er sei mit Mitgliedern des SRF Kulturclubs und Vivat Kultur von Southampton nach New York gefahren und habe mit Musikinteressierten die 9. Sinfonie Antonín Dvoráks «Aus der neuen Welt» professionell analysiert und die Ausdruckswelten und Strukturen der Sinfonie erkundet, erzählt Rudolf Lutz. Seine kirchenmusikalische Arbeit hat er immer sorgsam geplant und mit den Pfarrern und Pfarrerinnen abgesprochen. Ein- und Ausgangsspiel sowie Zwischenspiele wurden auf die Predigt abgestimmt, sodass im besten Fall eine Einheit von Kirchenmusik und Wort entstand. «Die Leute haben auf mein Zwischenspiel gewartet; für mich ergab sich ‹1 (die Worte der Verkündigung) plus 1 (die Choräle, die Kirchenmusik) ergibt 1 (eine Sternstunde)›: So habe ich meine Zauberformel gefunden», sagt er.

Gigantische Aufgabe
Seine pädagogische Arbeit hat er abgeschlossen. Er will sich vermehrt seiner Familie, seinen Enkeln widmen. Bis zirka 2027/28 ist er allerdings noch mit einer gigantischen Aufgabe beschäftigt: Die J.S. Bach-Stiftung führt innerhalb von 25 Jahren das gesamte Vokalwerk von Johann Sebastian Bach auf. Mit dieser Aufgabe betraute Stiftungspräsident Konrad Hummler Rudolf Lutz. Die erste Aufführung fand 2006 statt. Pro Monat wird eine Kantate aufgeführt. Alle Werkeinführungen, Konzerte und Reflexionen über die Texte der Kantaten werden auf Ton- und Bildträgern festgehalten und sind auf «Bachipedia» abrufbar.

Hackbrett und Jazz
Der 68-Jährige ist ungemein vielseitig; er liebt auch Volksmusik und spielt Hackbrett. Mit seinem Bruder Matthias (Saxophon) gibt er Jazz-Konzerte als «The Lutz Brothers». Old Time Jazz und Classic Jazz sind seine Favoriten. Er hat auch Gedichte von Klaus Merz vertont und Lesungen mit Improvisationen organisiert. In St. Mangen leitet Lutz seit 1977 ein Mal pro Monat «Singen für Ältere». Immer sind 100 bis 200 Singende dabei. «Letztes Mal waren es 220.» Eine Schulklasse sang unter anderem «Ade bin i loschtig gse»; das Publikum war begeistert. «Singen ist ein Lebenselixier, eine beglückende Erinnerung für Körper und Seele und bringt sehr viele Glücksgefühle hervor», sagt einer, der es weiss. 

 

Text: Margrith Widmer, Journalistin BR, Teufen | Foto: Jelena Gernert/J.S. Bach-Stiftung   – Kirchenbote SG, Januar 2020

 

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