«Klettern geht nur im Hier und Jetzt»

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24.01.2017
Der Mann ist offensichtlich in seinem Element. Hier in der Kletterhalle von Rankweil, die er zusammen mit einem Freund betreibt, hat er sich einen Traum erfüllt. Gross und Klein strömen an diesem Abend zum Bouldern, wie das Klettern ohne Seil an Felsblöcken heisst.

Christian Schmidheiny ist mitten unter ihnen. Viele Stammgäste kommen mit einem Badge, der ihnen die Türe öffnet, aber es treffen auch Neulinge ein, die es mal ausprobieren wollen. «Eine gute Alternative zum Ski- oder Velofahren», erklärt Christian. Nebenbei serviert er mit Engelsgeduld Getränke und Sandwiches, kassiert Eintritt und sucht den Kunden passende Kletterschuhe. Da ist einer mit sich im Reinen. 

Mehr Respekt

Dabei hatte es zunächst gar nicht nach so viel Glück ausgesehen. Zwar hatte man bei Christian schon mit 14 ein gewaltiges Klettertalent entdeckt und bald kannte er nichts anderes, als am Wochenende raus in die Berge zu gehen und unter der Woche dreimal in der Halle zu trainieren. Doch am 7. Januar 2007 stürzte er ab. Nicht irgendwo, sondern in Chile, in einem Nationalpark Patagoniens. Die Uni Lausanne und der SAC hatte ihn mit 11 weiteren Nachwuchsalpinisten zu der Expedition ausgewählt, nicht zuletzt, um Gesteinsproben zu bergen. 

Beim abendlichen Abstieg aus dem fast senkrechten Aleta del Tiburón, der an die Eigernordwand erinnert, unterlief Christian ein tragischer Fehler in der Seilhandhabung. Er stürzte über 100 Meter in die Tiefe. Die Bergung im steilen Gelände war schwierig, zumal er ins Koma gefallen war. Erst am nächsten Morgen konnte er mit einem Heli geborgen werden. Vier Tage später erwachte er. Und wollte weiter klettern. Es grenzte an ein Wunder. Schon zwei Jahre danach kraxelte er durch die sogenannte Big Wall im Yosemite-Nationalpark in den USA und schwört seitdem aufs Bouldern. «Ich habe beim Klettern keine Angst, aber mehr Respekt als vorher», resümiert er. Und, ja, seit dem Unfall achte er konsequenter darauf, was er wirklich wolle und was ihm wirklich Spass mache. «Ich bin mich neu am Erfinden», betont der gelernte Polymechaniker. Daher rührt also sein Engagement für die Kletterhalle, die er mit dem Partner im März 2015 eröffnet hat. Bouldern fördere den ganzen Körper und den ganzen Geist, findet er. «Das geht nur im Hier und Jetzt». 

Wissen weitergeben 

In Zukunft möchte er etwas mit Hand und Natur machen. Vielleicht werde er Rebbauer, sagt er schmunzelnd. Möglich wäre es, ist er doch mit drei Geschwistern in Berneck auf dem elterlichen Hof aufgewachsen, wo auch Rebbau betrieben wird. Engagiert ist er auch als Feuerwehroffizier in seiner Heimat in Berneck. «Vielleicht geht es auch in diese Richtung». Zur Ausbildung als Instruktor angemeldet hat er sich jedenfalls. Wissen weitergeben wäre wunderschön, meint er. Als Skitouren- und Jugendsport-Leiter beim SAC hat er bereits Erfahrung. Wahrscheinlich wird aber auch seine Freundin ein Wort mitreden. Klettern ist schliesslich ein Teamsport, auch im übertragenen Sinne. So wie Mountainbiken und Telemark-Skifahren, das er mit ihr gemeinsam zum Ausgleich gerne praktiziert. «Mal sehen, was passiert», erklärt er und wirkt gesammelt beim Blick in die Zukunft. 

 

Text und Foto: Reinhold Meier, Wangs   – Kirchenbote SG, Februar 2017

 

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