Kommt jetzt der Eintritt für den Kirchenbesuch?

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25.08.2016
Erstmals verlangt eine reformierte Kirche in der Schweiz Eintritt. Das Zürcher Fraumünster will so den täglichen Touristenstrom lenken und sorgt für Diskussionen. Werden andere Kirchen nachziehen?

Ein Ticket in die «Sagrada Familia» gibt es ab 15 Euro, der Berliner Dom kostet 7 Euro – bis zu drei Kinder inbegriffen. Und in die Sixtinische Kapelle des Vatikans kommt der Besucher für 30 Euro. Erstmals verlangt nun eine Kirche in der Schweiz Eintritt. Seit Juni zahlen Touristen mindestens zwei Franken für den Besuch des Fraumünsters. Wer zum Gebet kommt, kann gratis an der Kasse vorbeihuschen. Diese Massnahme ergriff man, um dem gros­sen Touristenandrang Herr zu werden, berichtet der «Tagesanzeiger». An Spitzentagen sollen bis zu 2000 Touristen das Gotteshaus aufsuchen. Oftmals kommen sie in Gruppen. Deshalb braucht es neuerdings für diese eine Voranmeldung. Nach einer Pilotphase soll das Zürcher Grossmünster dieses Modell übernehmen. Der Zürcher Vorstoss löste heftige Diskussionen aus.

Kein Thema in Basel und Schaffhausen

Ziehen andere Kirchen nach? Mitten in Basel thront auf der Pfalz das Münster. Für Touristen gilt, kein Stadtrundgang ohne Abstecher in das Basler Wahrzeichen. Anne Schmidt-Pollitz vom «Accueil», dem Touristischen Empfang am Basler Münster, bestätigt, dass sich die Besucherzahlen in den letzten zehn Jahren verdoppelt haben. Der Zustrom weise aber nicht jene Dimensionen auf wie in Zürich. Für Schmidt-Pollitz wie auch die Münsterpfarrerin Caroline Schröder Field ist der Eintritt ins Münster kein Thema. «Das ist für das Basler Münster der falsche Weg.»Als sie in Winterthur Pfarrerin der Evangelisch-Methodistischen Kirche war, «hätten wir uns gefreut, wenn mehr Menschen in unsere Kirche gekommen wären», sagt Schröder Field. «Wir mussten grosse Anstrengungen unternehmen, um mehr Besucher zu erreichen.»

Auch in Basel müsse man den Strom der Touristen «leiten, damit alle Interessen gewahrt werden», so Anne Schmidt-Pollitz. Man gehe mit dem Problem aber anders um als in Zürich. «Wenn die Leute schon da sind, dann wollen wir ihnen spirituell etwas bieten», sagt Caroline Schröder Field. «Das Singen über Mittag mit einem Geleitwort zum Beispiel, das Mittagsgebet, eine Andacht in einer Kapelle des Kreuzgangs oder das Taizé-Gebet während des Weihnachtsmarkts.» Am Basler Münster versteht man den Touristenandrang als Chance. Dies wirke sich bis in die Sonntagsgottesdienste aus. «Am Sonntag kommen oft Touristen während eines Gottesdienstes. Es kann passieren, dass diese bei einem späteren Besuch wieder kommen. Dies belegt auch unsere Gottesdienststatistik.»

Anne Schmidt-Pollitz würde es sich nicht zutrauen, zwischen jenen zu unterscheiden, die das Münsters nur als touristische Attraktion betrachten, und jenen, die dort die Stille und das Gebet suchen. «Mit einer Trennung würden wir ja den Kunstinteressierten absprechen, den Raum spirituell zu erfahren», fügt Caroline Schröder Field an. «Das Münster als öffentlicher, sakraler Raum sollte allen zugänglich sein.»

Liegestühle im Kreuzgang

Auch im Schaffhauser Münster will man von Eintrittspreisen nichts wissen. Das sei kein Thema, sagt Pfarrer Matthias Eichrodt. In einem «Provinz-Münster», das etwas abgelegen von den grossen Touristenströmen liege, freue man sich über die Besucher, witzelt Matthias Eichrodt. Mit Aktionen versucht die Münstergemeinde den Leuten ihr Gotteshaus näherzubringen. Zurzeit bietet sie Liegestühle an, in denen man den Kreuzgang in Ruhe geniessen kann. So werde das Münster zur «Oase der Stille», verspricht ein Schild. Ähnlich hohe Besucherzahlen wie das Zürcher Fraumünster weist die Klosterkirche in Einsiedeln auf. Je nach Wetter kämen zwischen ein paar Hundert und mehreren Tausend Personen pro Tag in die Kirche, sagt Pater Lorenz Moser gegenüber «kath.ch». Entsprechend sei die Ruhe in der Kirche immer wieder ein Thema. Die Störungen hielten sich jedoch «in einem erträglichen Rahmen». «

Eintritt zu verlangen, ist bei uns überhaupt kein Thema», so Pater Lorenz. «Das sei für eine Wallfahrtskirche geradezu ein Unsinn.» Johannes Stückelberger, Dozent für Religions- und Kirchenästhetik an der Theologischen Fakultät der Universität Bern, versteht das Anliegen des Fraumünsters, die Masse der Touristen mit Anmeldung und Eintrittsgebühr zu lenken. «Die meisten von ihnen kommen ja wegen der Chagallfenster und bezahlen sicher gerne etwas für die Besichtigung dieses Kulturschatzes und für das ausgehändigte Informationsmaterial.» Gleichzeitig müsse jedoch erkennbar bleiben, dass die Kirche ein öffentlicher Ort zur freien Benutzung ist, ob man darin betet oder nicht. Diese Öffentlichkeit sei ein kirchlicher Auftrag. Eine Lösung fürs Fraumünster sieht Stückelberger darin, dass nur für den Besuch des Chors Eintritt verlangt wird, der übrige Raum jedoch frei zugänglich ist.

26.8.2016, Franz Osswald/Tilmann Zuber

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